Westfalenpost: Jeder Einzelfall ist einer zu viel
Kommentar von Nina Grunsky zu den verschwundenen Flüchtlingskindern
Hagen (ots)
Die Zahl alarmiert. Annähernd 5000 Flüchtlingskinder sind in Deutschland Anfang des Jahres vermisst gemeldet gewesen. Das aber ist nur die offizielle Größe. Tatsächlich dürften noch viel mehr Jugendliche ohne Schutz von Eltern oder Jugendämtern hier in Deutschland unterwegs sein. Wer weiß, wie die Flüchtlinge in den vergangenen Monaten registriert worden sind, ahnt, dass die Dunkelziffer weitaus höher sein muss.
Die Bundesregierung aber wiegelt ab: Die Kinder seien nicht alle vermisst, versklavt und gekidnappt, heißt es. Viele von ihnen hätten nur unbemerkt das Kinderheim, in dem sie nach der Ankunft untergebracht worden waren, verlassen, um sich allein auf den Weg zu Verwandten zu machen. Es gebe höchstens "vereinzelte Fälle", in denen die Kinder Opfer von Straftaten geworden seien, heißt es befremdlich großzügig.
Jeder Einzelfall aber ist einer zu viel. Jeder Fall, in dem sich ein Kind auf einen lebensgefährlichen Weg gemacht hat, um hier in Deutschland Sicherheit zu finden und dann doch schutzlos Verbrechern ausgeliefert zu sein, ist unerträglich. Schlimm genug ist aber schon, dass die Behörden offenbar nicht einmal genau wissen, wohin die Kinder gegangen sind.
Möglich kann das nur sein, weil das Netz der Kinder- und Jugendhilfe zuvor schon sehr grob geknüpft und unterfinanziert war. Für die aktuellen Anforderungen taugt es gar nicht mehr. Da muss es doch höchst verwundern, dass ausgerechnet jetzt Kommunen fordern, die Standards für die Betreuung minderjähriger Flüchtlingskinder abzusenken. Wer aber jetzt eine angebliche Kostenexplosion vermeiden will, wird später tüchtig draufzahlen müssen.
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