Westfalenpost: Geburtshilfe
Hagen (ots)
Die einen wollen kein Kind zurücklassen, die anderen wollen die Welt aus den Augen der Kinder betrachten. In der Politik sind Slogans, die auf das Wohl des Nachwuchses gemünzt sind, willkommen. Sie täuschen eine Haltung vor, die sich mit dem richtigen Leben in diesem Land nicht deckt. Warum? Weil das Wohl des Kindes im Kern politischen Handelns Augenwischerei ist. Das Schicksal des Nachwuchses entscheidet sich bereits, hört, hört, vor der Geburt. Findet die Mutter rechtzeitig vor der Entbindung den Weg in die weit entfernte Klinik und wenn, wenn sie es denn schafft, wird sie mit offenen und hilfsbereiten Armen empfangen, verbunden mit einer angemessenen medizinischen Betreuung? Mitnichten. Selbst das Kinderkriegen ist in dieser Gesellschaft zum Geschäft verkommen, und ein bisschen Roulette ist auch dabei. Das Klagelied der Hebammen aus dem Kreißsaal ist im Plenarsaal noch nicht angekommen. Verdichtung und Zeitdruck bei der Arbeit schrauben die Belastungen hoch. Eine angestellte Hebamme ist in der Klinik für drei bis fünf Geburten gleichzeitig verantwortlich. Wer will seinen Beruf in dieser Form ausüben? Dazu kommen die hohen Versicherungsprämien für Krankenhäuser mit Geburtshilfe-Stationen und selbstständige Hebammen. Dass die Krankenkassen nicht bereit sind, Krankenhäusern im ländlichen Raum den Sicherungszuschlag für eine Grundversorgung in der Geburtshilfe zu zahlen, verschärft die Lage. Wer in Deutschland auf die Welt kommt, darf offenbar nichts kosten. Dass Erstgeborene angesichts dieser Umstände schreien, hat nichts damit zu tun. Sie kennen den Streit um Geld nicht. Noch nicht. Aber es ist zum Schreien.
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