Westfalenpost: Qual nach der Wahl Klar ist nur, dass noch vieles möglich ist
Hagen (ots)
Von Bodo Zapp
Was war mit Schröder los? Was wird aus Merkel? Die Folgen der Wahl sind in den Familien, in Büros und in Kneipen zum großen Gesprächsthema geworden. Fast jeder hat etwas gesehen oder gelesen, worauf es keine klaren Antworten gibt. Das Besondere an diesem Tag 1 nach dem Tag X: Auch die Politiker in Berlin wissen es nicht genau. Unbestritten ist: Für Deutschland, für die Wirtschaft, für den Aufschwung wäre eine stabile Regierungsmehrheit gut, die Probleme energisch anpackt. Und dabei den Wunsch der "kleinen Leute" nach gesicherten persönlichen Verhältnissen im Auge behält. Aber wer ist Kapitän/in, wer steht mit am Steuerrad? Das neue Regierungsschiff ist noch nicht in Sicht, wohl aber die schwere See. Auf Angela Merkel läuft der Wählerauftrag einer Regierungsbildung zunächst einmal zu, das lässt sich ernsthaft nicht in Frage stellen. Sie steht als gerupfte Siegerin unter gewaltigem Druck, auch von der ehrgeizigen eigenen Führungsmannschaft. Behält sie die Nerven? Man kann wohl davon ausgehen, dafür spricht ihr bisheriger Karriereweg. Zudem: Fehler hat nicht nur sie gemacht. Die anderen haben aber geschickte Deckung gesucht. Dass Unions-Sympathisanten wegen der vielleicht allzu offen argumentierenden Frau aus dem Osten nicht für die CDU stimmten, kann Konfliktpotenzial mit Langzeitwirkung sein. Kurzfristig wäre Sägen an Merkels Kanzlerinstuhl ein grober Fehler, auf den Schröder und Müntefering hoffen. Nach dieser Wahl ohne Klärung ist jedoch nichts auszuschließen. Nicht einmal, dass es eine Kanzlerzukunft ohne Merkel und ohne Schröder gibt. Welcher Benimm-Poltergeist den in der "Berliner Runde" getrieben haben könnte, dürfte vorerst das Geheimnis der SPD-Spitze bleiben. Geholfen hat ihm dieser Auftritt nicht. Und nach wie vor bleibt rätselhaft, woher Schröder und Müntefering die (gespielte?) Zuversicht nehmen, dass es im Kanzleramt so weiter gehen könnte wie bisher. Bleibt es bei dem absoluten Nein zu einer großen Koalition unter Kanzlerin Merkel, ist die sogenannte Jamaika-Koalition von CDU,FDP und Grünen die realistischste Zukunftsvariante. Der Gedanke daran, dass Westerwelle und Fischer in einem Boot sitzen könnten, wäre vor Tagen noch höchst abenteuerlich gewesen. Doch haben jetzt gerade diese beiden Format bewiesen und eine gewisse Beweglichkeit erkennen lassen. Vielleicht sind die bestehenden erheblichen Gegensätze doch nicht so unüberbrückbar, wie es bisher schien.
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