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Westfalenpost: Fremdelnder Staatsgast Kaczynski erstmals in Berlin

Hagen (ots)

Von Winfried Dolderer
Einen solchen Staatsgast erlebt man selten. Einen, der so 
erkennbar fremdelt. Die Zwillinge Lech und Jaroslaw Kaczynski wurden 
populär als Kinder-Stars, als putziges Pärchen im polnischen 
Fernsehen. Seit einem Jahr, als Lech zum Präsidenten gewählt wurde, 
erlebt man sie so in der europäischen Politik. Trotzköpchen, die 
fußstampfend um Beachtung quengeln. Man kann das nervig finden. Muss 
man es auch für gefährlich halten?
 Muss man nicht. Man muss sich ja nicht auf Dauer mit den Kaczynskis 
einrichten, und dass sie für ganz Polen sprechen, ist auch nicht 
ernstlich zu vermuten. Verlass ist in den osteuropäischen Demokratien
nur auf den Wandel. Und an der Verlässlichkeit der polnischen 
Demokratie hat sich nichts geändert dadurch, dass das politische 
Personal Außenstehenden derzeit etwas bizarr vorkommt. Zumal einiges 
dafür spricht, dass viele Polen es längst ähnlich sehen. Hätte der 
jüngste Krawall in Kaczynskis Koalition zu Neuwahlen geführt, der 
Mann wäre wohl weiterhin nicht nach Berlin gekommen, weil sich sein 
Antrittsbesuch als Mini- sterpräsident erübrigt hätte.
 Vieles spricht auch dafür, dass die Obsessionen, mit denen die 
regierenden Nationalpopulisten hantieren, ihre angstmachende 
Strahlkraft zusehends einbüßen. Das Gespenst der nach ehemals 
deutschem Eigentum gierenden "Preußischen Treuhand" ebenso wie die 
Vorstellung, Russland könnte mit deutscher Einwilligung am Gashahn 
drehen.
 Gewiss, es gibt bis in die jüngste Vergangenheit reichende 
historische Erfahrungen, mit denen sich in Polen alle möglichen 
Obsessionen begründen lassen. Es gibt aber mittlerweile auch eine 
Gegenwart. Sie ist westlich und europäisch. Die polnische 
Öffentlichkeit hat damit weniger Probleme als die Regierenden, die 
fremdeln und trotzig ihre Traumata pflegen.

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