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Westfalenpost: Die große Heuchelei Nicht nur der Sport hat Drogenprobleme

Hagen (ots)

Von Harald Ries
Nur die Telekom-Radler? Nur in strafrechtlich nicht mehr 
belangbarer Vergangenheit? Lächerlich! Wir dürfen getrost alle 
Radprofis für gedopt halten - bis zum Beweis des Gegenteils.
 Mitleid ist nicht angebracht mit Leuten, die mit hoher krimineller 
Energie versucht haben, sich unerlaubte Vorteile zu verschaffen. Doch
dass jetzt nur der Radsport am Pranger steht, ist ungerecht. 
Olympische Spiele Peking 2008 - das wird erst ein Dopingfest.
 Und wenn mal einer oder eine erwischt wird, ist die öffentliche 
Empörung groß. Für kurze Zeit. Dann geht es weiter wie vorher. Weil 
in der Empörung so viel Heuchelei steckt. Weil niemand überrascht ist
von Enthüllungen, wie wir sie nun erleben. Weil schon vorher die 
wenigsten geglaubt haben, dass Spitzenleistungen wie ein 
Pyrenäen-Aufstieg ohne Hilfsleistungen aus der Apotheke zu schaffen 
sind.
 Was daraus folgt? Dass der ganze Sport ein Drogensumpf ist? Dass wir
uns in moralischem Abscheu von ihm wenden sollten? Das wäre 
gleichfalls Heuchelei: Der Profisport ist Teil der 
Unterhaltungsindustrie. Und die bietet, was dem Zuschauer gefällt. 
Schauspieler lassen sich operieren, Models hungern sich krank, 
Rockmusiker geben sich mittels Heroin ein romantisch-kaputtes Image, 
Tänzer lassen sich Schmerzen wegspritzen, in der Oper sangen einst 
Kastraten. Das ist alles nicht gesund.
 Mehr Beispiele gefällig? Von sechs amerikanischen 
Literatur-Nobelpreisträgern waren fünf Alkoholiker. Schulkinder 
bekommen leistungsfördernde Mittel. Wer mehr Sex will, als der Körper
hergibt, schluckt Viagra. Neu ist das auch nicht. Alkohol beruhigte 
das schreiende Baby, Koka-Blätter halfen dem Inka gegen den Hunger. 
Nicht nur der Sport hat ein Drogenproblem.
 Aber Doping ist Betrug, heißt es. Bloß: Gilt das noch, wenn es alle 
tun? Die Tour de France verliert nicht an Spannung, wenn alle 
offziell schlucken und spritzen. Und sie wäre weniger verlogen. Doch 
eine generelle Doping-Freigabe ist unmöglich, weil es nicht nur um 
Erwachsene geht, die mit ihrem Körper machen können, was sie wollen, 
sondern vielfach um Kinder und Jugendliche.
 Also wird das ungleiche Wettrennen zwischen neuen Doping- und 
Analysemethoden weitergehen. Und es wird dabei bleiben, dass die 
Kontrollen nicht überall auf der Welt und nicht bei allen Sportarten 
gleich streng ausfallen werden. Das ist unbefriedigend. Aber so ist 
es eben.
 Diese ganzen Tricks und Lügen, die uns die Radszene derzeit so 
besonders unsympathisch machen, die erleben wir ja auch in Wirtschaft
und Politik, am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr. Die Konkurrenz 
ist hart, und jeder will nach oben. Warum sollte ausgerechnet der 
Sport einen Moral-Vorsprung haben?

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Rückfragen bitte an:
Westfalenpost
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Telefon: 02331/9174160

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