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NRZ: Tod eines Diktators - Kommentar zu Muammar al-Gaddafi. Von Rüdiger Oppers

Essen (ots)

Gaddafis Ende war absehbar. Musste er sterben? Hoffentlich bleibt die Antwort auf diese Frage nicht zu lange vom "Nebel des Krieges" verborgen. Viele Details um den Tod des libyschen Diktators sollten schnell geklärt werden. Vermutlich starb der selbst ernannte "Revolutionsführer" in einem Gefecht. Dieses Schicksal hatte er sich ja selbst ausgewählt und in seiner schrillen Propaganda oft genug angekündigt.

Mitleid kann man kaum erwarten. Aber die irritierenden Gerüchte um Gaddafis Ende verbreiten sich so schnell wie eine Twitter-Nachricht nur sein kann. Angeblich waren ausländische Spezialeinheiten am Einsatz beteiligt. Angeblich wurde er ohne Gegenwehr "liquidiert". Nun sind der nationale Übergangsrat und die in Libyen militärisch engagierte Staatengemeinschaft verpflichtet, das Geschehen schnell und rückhaltlos aufzuklären. Es ist in ihrem eigenen Interesse, der wild wuchernden Legendenbildung vorzubeugen. Nur so haben sie die historische Chance, das Kapitel "Gaddafi" zu schließen.

Ein Anlass zur Freude kann der Tod eines Menschen nicht sein - selbst wenn einem der bizarrsten und brutalsten Diktatoren unserer Zeit nun die irdischen Folterwerkzeuge aus der Hand genommen sind. Wer für Gerechtigkeit und Humanität eintritt, hätte Gaddafi gewiss gerne auf der Anklagebank des Internationalen Gerichtshofs für Menschenrechte gesehen.

Verständlich ist aber, wenn viele Libyer und auch westliche Politiker mit Erleichterung reagieren. Vor allem Israel wird aufatmen. Gaddafi war die gefährlichste Geißel des Terrors gegen den jüdischen Staat und seine Bürger. Nahezu alle verheerenden Anschläge, die in den 1970er- und 1980er-Jahren die Welt erschütterten, wären ohne die Hilfe des libyschen Diktators nicht möglich gewesen. In Deutschland war der "Oberst" - neben der DDR Stasi - der wichtigste Sponsor der RAF-Mordbrenner.

Libyen selbst feiert den Tod seines Unterdrückers. Hoffentlich sind diese Gefühlsausbrüche nur von kurzer Dauer. Das von Gaddafi jahrzehntelang geschundene Land muss endlich zur Ruhe kommen, um Frieden mit sich selbst schließen zu können. Mit einem Diktator auf der Flucht, der seine letzten Getreuen in immer verzweifeltere und blutigere Schlachten hetzte, wäre die vorsichtige Demokratisierung unmöglich gewesen. Nun haben die Libyer eine realistische Chance auf freie Wahlen. Voraussetzung dafür ist, dass sich der bislang verhältnismäßig klug agierende Übergangsrat zusammenrauft und die nationale Einheit über Partikularinteressen stellt. Keine leichte Aufgabe, denn mehr als 140 Stämme und Clans ringen in diesem unübersichtlichen Gremium um Macht und Ölmilliarden. Sein Vorsitzender, Mustafa al-Dschalil, hat dazu aufgerufen Racheakte an Gaddafis Familie und seinen vielen Gefolgsleuten zu unterlassen.

Bei der Gestaltung eines neuen Staates, der seinen Bürgern nicht ideologische oder islamistische Phrasen, sondern Frieden, Freiheit und die Aussicht auf ein wenig Wohlstand bieten kann, wäre der Westen ein guter Ratgeber. Deutschland wird dabei nur eine Rolle am Rande des Weltgeschehens einnehmen können. Es hat seine Sympathien für die Freiheitsbewegung zu spät entdeckt. In der Libyenfrage sind unsere Verbündeten eben Russland und China, nicht Frankreich und England. Die Außenpolitik dieser Bundesregierung ist für viele Bürger ein Grund zum Fremdschämen.

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