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NRZ: Wulff hat sich disqualifiziert - Kommentar von Rüdiger Oppers
Essen (ots)
Wieder eine Erklärung, wieder eine Entschuldigung, wieder so ein Wulff-Erlebnis. Schal, halbherzig, wenig staatsmännisch. Und wieder so eine typische Wulff-Stillosigkeit. Warum stellt sich der Bundespräsident nicht der Bundespressekonferenz, sondern gewährt dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine exklusive Audienz? Nein, diese persönliche Erklärung im TV-Interview war kein Befreiungsschlag, sondern die Verlängerung einer Qual.
Es bleiben Zweifel an der Aufrichtigkeit des ersten Mannes im Staat. Schlimmer noch, es stellt sich die Frage, ob Christian Wulff überhaupt genügend Format für das Amt des Bundespräsidenten hat. Sein Umgang mit der Wahrheit, seinen Finanzen und der Pressefreiheit haben Herrn Wulff für das höchste Amt in der deutschen Demokratie disqualifiziert. Es ist geradezu grotesk, dass sich der Bundespräsident beim Chef der größten Boulevardzeitung des Landes für eine törichte Beschimpfung auf dessen Anrufbeantworter entschuldigen muss. Kann ein Politiker tiefer sinken, als dem Springer-Verlag erst großmäulig zu drohen und dann bei "Bild" ganz kleine Brötchen backen zu müssen?
Fremdschämen ist im Zusammenhang mit einem Verfassungsorgan neu, aber Christian Wulff hat es geschafft, sein Ansehen und damit auch sein Amt derart zu ramponieren, dass er bei Bürgern, Parteien und Medien statt Anerkennung nur Hohn und Spott erntet. Über sich selbst hat er einmal gesagt "Kanzler könne er nicht". Nun wissen wir: Bundespräsident leider auch nicht. Vor seiner Wahl verkörperte Christian Wulff die Standardbeschreibung eines Personalausweises: besondere Kennzeichen, keine.
Jetzt taucht hinter der Fassade des Biedermanns ein Amigo-Politiker alten Stils auf, bei dem Günstlingswirtschaft und Glamour offenbar höher im Kurs stehen als die Kaufmannsehre, auf die sich wenigstens Horst Köhler berufen konnte. Im Schloss Bellevue muss kein Heiliger residieren, aber ein Vertreter des Volkes mit hoher moralischer Autorität, der als Vorbild dienen kann. Christian Wullf kann diese wichtigste Funktion nicht mehr erfüllen.
Koalition und Opposition klammern sich noch verzweifelt an den glücklosen Amtsinhaber, weil dessen Vorgänger erst vor Kurzem aus nichtigem Anlass die Brocken hingeworfen und die Bürger enttäuscht hat. Doch eine "Staatskrise" ist nicht zu befürchten, wenn die Republik zum zweiten Mal den Rücktritt eines Bundespräsidenten verkraften müsste. Es wäre im Gegenteil eine Chance, die viel beschworene "Würde des Amtes" nicht vollends zum Popanz werden zu lassen.
Christian Wulff kann noch mit Anstand gehen und den Weg frei machen für eine notwendige Diskussion über Kriterien für Bewerber um das höchste Amt im Staate und die Frage, ob nicht wir - das Volk - selbst die Wahl haben sollten.
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