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NRZ: Mitt Romney muss sich neu erfinden - Kommentar von Dirk Hautkapp

Essen (ots)

Das Gute an der Entscheidung Rick Santorums, das Handtuch zu werfen, ist das damit verbundene Ende eines unter der Gürtellinie verlaufenen Ideen-Boxkampfs, der die Rückständigkeit des auf Verächtlichmachung angelegten politischen Systems in Amerika aufdeckte. Das Schlechte: Der Mann, der als Sieger in den Kampf gegen Amtsinhaber Barack Obama ziehen wird, hängt nach vielen Platzwunden aus dem republikanischen Vorwahl-Getöse bereits schwer in den Seilen. Mitt Romney hat sich so weit auf die rechtspopulistische, religiöse eingefärbte Außenbahn abdrängen lassen, dass der Rückmarsch in die wahlentscheidende Mitte beschwerlich wird; dorthin also, wo nicht die Bibel das Gesetz ist und man die Tea-Party-Rumpelstilzchen immer schon peinlich fand. Auch wenn der Ostküsten-Moderate für seine elastischen Überzeugungen bekannt ist: die Neuerfindung, die ihm diesmal abverlangt wird, hat es in sich. Romney hat in der Vorwahl-Geisterbahn wichtige Wählergruppen mit radikalen Positionen (Abtreibung, Sozialleistungen, Einwanderung) tief erschreckt. Bei Frauen, Vertretern der unteren Mittelklasse, bei den Armen und den Latinos ist der Multi-Millionär unten durch. Sich hier neues Vertrauen zu erwerben, ohne das ein Sieg am 6. November unmöglich ist, zwingt den Technokraten in einen schmerzhaften Spagat. Er muss a) Friedensangebote an verprellte Wählerschichten und das Sammelbecken der Unabhängigen formulieren und b) gleichzeitig das von der religiösen Rechten angefangene Trommelfeuer auf Errungenschaften einer liberal-modernen Gesellschaft beibehalten. Der frühere Risiko-Kapital-Investor hat in diesem Experiment viele offene Flanken. Mit seinem lächerlich geringen Einkommenssteuersatz, verborgenen Konten in Steueroasen und seinem Credo für Steuersenkungen, weniger Sozialstaat und einem von Regulierung befreiten Kapitalismus verkörpert Romney das, was Obama und die Demokraten in den Mittelpunkt rücken: die drastischer werdende Spaltung einer einst auf Mobilität für alle geeichten Gesellschaft, in der sich heute wenige Alleshaber und Abermillionen gegenüberstehen, die sich abstrampeln und so eben über die Runden kommen. Amerika startet in einen Gerechtigkeits-Wahlkampf.

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