Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung
NRZ: Wissenschaftler und Gewerkschaften bezweifeln Fachkräftemangel
Essen (ots)
Unter Wirtschaftsexperten wachsen die Zweifel, ob es jenseits der Pflegebranche einen größeren Mangel an Fachkräften in Deutschland gibt. Es besteht der Verdacht, dass Wirtschaftsverbände mit entsprechenden Warnungen lediglich den Lohndruck auf die Arbeitnehmer aufrecht erhalten wollen. "Von einem Fachkräftemangel in Deutschland kann man sicher nicht sprechen", sagte Gustav Horn, wissenschaftlicher Direktor des gewerkschaftsnahen Forschungsinstituts IMK der Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung (NRZ, Donnerstagausgabe). Es sei für die Unternehmen allenfalls schwieriger geworden, passgenaue Arbeitnehmer zu finden. Ähnlich sieht es Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): "Unsere Analysen besagen, dass es bis weit in das nächste Jahrzehnt hinein gar keinen Fachkräftemangel geben wird." Brenke befürchtet angesichts des Runs auf ingenieurwissenschaftliche Studienplätze und der Lockerung der Zuwanderungsregeln für Fachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland stattdessen sogar ein Überangebot insbesondere an Ingenieuren. Dies könne zu einem spürbaren Lohndruck führen und einen Verdrängungswettbewerb entfachen, der vor allem zulasten älterer Fachkräfte gehen werde, so der Wissenschaftler. Auch DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach bezweifelt die Angaben der Wirtschaft: Wenn Stellen nicht sofort besetzt würden, "ist das kein Hinweis auf eine generellen Fachkräftemangel", sagte sie der NRZ. Viele der gemeldeten Stellen seien befristet oder Leiharbeit. Buntenbach weiter: "Seit 2005 sind die Studierendenzahlen in den naturwissenschaftlichen Fächern um 60 Prozent gestiegen". Es sei daher "kaum glaubhaft", dass der Bedarf nicht gedeckt werden könne. NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) sagte der NRZ: "Auf breiter Front gibt es noch keinen Fachkräftemangel in NRW." Die Forderung von Bundearbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben, sei "abenteuerlich", so Schneider. "Zunächst müssen wir uns darauf konzentrieren, dass die Erwerbsquote von Frauen verbessert wird, Ältere länger im Beruf bleiben können und Menschen mit Zuwanderungshintergrund besser gefördert werden."
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