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NRZ: Bürger wollen nicht nur verwaltet werden - ein Kommentar von RÜDIGER OPPERS
Essen (ots)
Keine gute Nachricht für unsere Demokratie: Gut hundert Tage vor der Bundestagswahl sagt eine Studie voraus, dass die Wahlbeteiligung wieder sinken wird. Gerade jungen oder armen Deutschen sind die Parteien allesamt mehr und mehr gleichgültig. Beunruhigend, denn unsere Gesellschaft lebt von Bürgern, die sich mit Herz und Hand für das Gemeinwesen engagieren, was außerhalb der Demokratie und ihrer Institutionen nicht möglich ist. Überraschend ist diese Entwicklung indes nicht. Der angesehene Politologe Colin Crouch behauptet, wir lebten längst in einer "Postdemokratie". Darin wird das Allgemeinwohl von Verwaltungen zufriedenstellend organisiert. Urnengänge werden zwar regelmäßig abgehalten, aber sie ändern faktisch nichts, da sich die großen Parteien kaum voneinander unterscheiden. "Wahlspiele", nennt das der Autor. Die von Angela Merkel betriebene schwindelerregende Metamorphose der einst konservativen CDU zur sozialdemokratischen Reformpartei (Energiewende, Mietpreisbremse, Homo-Ehe, Mindestlohn) ist ein Beleg für die These, dass Parteien austauschbar erscheinen. Große politische Debatten gibt es selten. Talk-Show Geplapper hat sie ersetzt. Zur Entfremdung von der Demokratie trägt auch das diffuse Gefühl bei, politische Entscheidungen würden nicht im Parlament verabschiedet, sondern im Hinterzimmer ausgeheckt. Schlimmstes Beispiel: Europa ist in die Ferne einer elitären Gipfeldiplomatie gerückt. Ein undurchschaubares Finanzsystem trägt zur Resignation vieler Bürger bei. Gegen diesen Trend hilft womöglich mehr direkte Demokratie. Mündige Bürger möchten nicht nur verwaltet werden. Sie sind der eigentliche Souverän unseres Staates, nicht die "Macher" und Bürokraten. Transparenz und Teilhabe an allen wichtigen Entscheidungen muss der Souverän jederzeit einfordern können - nicht nur, wenn er sich zum Wahlgang aufraffen soll. Fundament politischer Entscheidungen muss das Gewissen sein, nicht das Parteibuch oder Machtkalkül. Die Wiederentdeckung des Gewissens - das wäre ein sinnvolles Wahlversprechen.
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