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NRZ: Holpriger Start für Schwarz-Rot - ein Kommentar von JAN JESSEN
Essen (ots)
Die Große Koalition ist gerade einmal zwei Wochen alt und schon kriselt es. Erstaunlich: Da verhandeln sie monatelang, um ein Zweckbündnis schließen zu können und lassen dennoch nicht einmal die ruhige Zeit um den Jahreswechsel ohne Zwist vergehen. Einige Beispiele gefällig? Es gab in den vergangenen Tagen Streit um die Ausgestaltung der Rente mit 63, Zank um die Einführung der Pkw-Maut, Diskussionen um den Mindestlohn. Diese Auseinandersetzungen sind logische Konsequenzen eines Koalitionsvertrages, der an vielen Ecken Unschärfen hat und vor Prüfaufträgen strotzt; das wird immer wieder Sand im Getriebe der Koalitionsarbeit sein. Als Indiz für ein mögliches rasches Ende von Schwarz-Rot taugt das Gezänk aber nicht. Auch Schwarz-Gelb legte 2009 einen Holperstart hin - man stritt seinerzeit lustvoll um Gesundheits- und Steuerfragen. Trotzdem hielt die Koalition vier Jahre. Der aktuelle Disput um die sogenannte Armutszuwanderung hat eine andere Qualität. Hier geht es nicht um technische Finessen, hier geht es um Grundsätzliches. Horst Seehofer setzt auf die Bedienung von Ressentiments um seine CSU für die bayerische Kommunalwahl im März und die Europawahl im Mai in Stellung zu bringen. Es ist unbestritten, dass die Kommunen Hilfe brauchen, um den Zuzug ärmerer und unqualifizierter EU-Bürger bewältigen zu können; die Probleme waren aber lange vor dem 1. Januar, an dem die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bulgaren und Rumänen in Kraft trat, benannt. Sie haben auch nichts mit ihr zu tun.Statt die benötigte Hilfe für die Kommunen vehement einzufordern, spielt die CSU mit Ängsten und Vorurteilen gegenüber Minderheiten und vergisst dabei zu erwähnen, dass die EU-Freizügigkeitsrichtlinie Sozialtourismus ausschließt und Sozialbetrüger schon jetzt ausgewiesen werden können - sie betreibt also tumben Populismus. Das ist schäbig und hat das Zeug, tiefere Wunden bei der SPD zu schlagen. Nicht von ungefähr hat sich in die Diskussion nicht irgendein SPD-Hinterbänkler, sondern Außenminister Frank-Walter Steinmeier eingeschaltet.Die Kanzlerin hat sich bereits kritisch zu dem bayrischen Gebrüll geäußert. Vorsichtig, wie es ihre Art ist und über ihren Regierungssprecher. Es ist aber an der Zeit, dass sie ein Machtwort spricht und die CSU in ihre Schranken weist. Sie sollte nicht bis zur Klausurtagung des neuen Kabinetts Mitte Januar im brandenburgischen Schloss Meseberg warten. Bis dahin könnte zu viel Porzellan zerbrochen sein.
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