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NRZ: Ein Sieg ist keine Garantie für Frieden - ein Kommentar von JAN JESSEN

Essen (ots)

Mit der Offensive auf Mossul haben die irakischen und kurdischen Streitkräfte das Ende der Schreckensherrschaft des sogenannten "Islamischen Staates" im Zweistromland eingeläutet. Von der Millionenmetropole aus begann im Sommer 2014 der Siegeszug der Dschihadisten, dort wird er auch enden. Es ist ungewiss, wie lange der Kampf dauern wird. Sicher ist: Der IS kann diese Schlacht nicht gewinnen, zu groß ist die Streitmacht, die ihm gegenüber steht, zu stark ist die Unterstützung durch die US-geführte Koalition, ob in der Luft oder am Boden. Die Offensive wird am Ende viele Gewinner haben. Den angeschlagenen irakischen Premier Haider al-Abadi, der seinen Bürgern versprochen hat, dass der IS bis zum Ende des Jahres aus dem Irak vertrieben sein wird. Kurdenpräsident Masud Barzani, ebenfalls innenpolitisch unter Druck. US-Präsident Barack Obama, der sich vorwerfen lassen muss, den IS viel zu spät als ernste Gefahr identifiziert zu haben. Für die Menschen, die in Mossul leben, ist der Beginn der Offensive keine Freudensnachricht. Sie haben zwar unter der Terrorherrschaft der Dschihadisten gelitten. Aber jetzt müssen sie befürchten, zwischen die Fronten zu geraten, Kollateralschäden zu werden, wie es zynisch im Militärjargon heißt. Ihnen drohen Tod, Verstümmelung, Flucht. Es ist bezeichnend, dass es der Koalition, die Mossul jetzt angreift, gelungen ist, die Operation bis ins Detail militärisch vorzubereiten und Abermillionen für Kriegsgerät bereit zu stellen - dass aber die Nothilfe für die Menschen, die jetzt leiden müssen, völlig unterfinanziert ist, dass es noch nicht einmal ausreichend Unterkünfte für die erwartete Zahl an Flüchtlingen gibt. Dieses Versagen der Staatengemeinschaft ist ein Skandal. Wer eines Beweises bedurfte, warum die europäische Flüchtlingskrise auch eine hausgemachte ist, der hat ihn jetzt geliefert bekommen. Ein Sieg über den IS wird außerdem nicht automatisch bedeuten, dass Frieden im Irak einzieht. Die Probleme, die den Aufstieg der Terror-Miliz beförderten, existieren weiter: Korruption, Nepotismus, die kalte Verachtung der Eliten für die Nöte des Volkes und die Unterdrückung der sunnitischen Minderheit. Zudem hat der Iran seinen schädlichen Einfluss in den vergangenen Jahren weiter ausgebaut. Jetzt wollen auch die Türken ein Stück vom irakischen Kuchen und beanspruchen ein Mitspracherecht bei der Kontrolle über Mossul für sich. Und die Kurden werden sich alsbald heftige Auseinandersetzungen mit der zentralirakischen Regierung um die erdölreiche Region um Kirkuk liefern. Die Saat für künftige Konflikte ist bereits ausgebracht.

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