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NRZ: Der Fluch des Erfolges - ein Kommentar von JAN JESSEN
Essen (ots)
Rot-Grün ist abgewählt. Ob die Wähler sich vorrangig gegen die Politik der vergangenen sieben Jahren entschieden oder ob sie sich vielleicht auch vom Sog des Trends haben mitreißen lassen, ist so kurz nach dem Urnengang nicht ausgemacht. Klar ist: Sie haben den Weg für einen Politikwechsel in NRW freigemacht. Schwarz-Gelb ist eine Option. Es wäre die konsequenteste Umsetzung des Auftrags, den die Wähler gegeben haben. Der FDP ist viel Vertrauen geschenkt worden. Ihr Wahlkampf war auf ihre Lichtgestalt fokussiert, auf ihren Spitzenkandidaten Christian Lindner; ein politisches Ausnahmetalent, ein Mann, der allerdings von vornherein klar gemacht hatte, dass er im Herbst nach Berlin gehen wird. Ein Lindner braucht eine größere Bühne als den Düsseldorfer Landtag. Opposition, das kann Lindner, das kann die FDP. Das haben die Liberalen in den vergangenen Jahren unter Beweis gestellt. Können sie auch Regierung im wichtigsten deutschen Bundesland mit all seinen enormen und komplexen Herausforderungen? Diese Frage stellte sich bis vor Kurzem nicht. Die größte Oppositionspartei werden - das war das erklärte Wahlziel Lindners und seiner Parteifreunde. Jetzt sind sie unter Zugzwang geraten, das ist der Fluch des Erfolgs. In der Wahlnacht schien es, als sei Lindner die überraschende Machtoption unangenehm. Er mag die bescheidene liberale Bilanz der Regierungsjahre zwischen 2005 und 2010 vor Augen gehabt haben, als er immer wieder darauf verwies, dass die FDP keine Koalitionsaussagen gemacht habe; und er muss vor der Bundestagswahl Eigenständigkeit demonstrieren. Als Anhängsel der CDU wahrgenommen zu werden, ist schädlich. Aber er steht jetzt unter unerwartetem Druck. Ein Mann, der sich der Regierungsverantwortung und dem Auftrag der Wähler entzieht, geht beschädigt nach Berlin, selbst wenn er von Anfang an mit offenen Karten gespielt hat.
Schnittmengen gibt es zwischen CDU und FDP bei den Kernthemen des Wahlkampfs viele, die Differenzen bei Wirtschaft, Bildung und Innere Sicherheit sind nicht so groß, als dass sie nicht verhandelbar wären. Es kommt nur auf den Willen an, das Land gemeinsam gestalten und in die Zukunft führen zu wollen. Die Frage ist: Traut sich die FDP das zu? Andernfalls bleibt die langweiligste aller Optionen: eine Große Koalition unter der Führung der CDU. Ebenfalls machbar. Damit würde die Politik der vergangenen Jahre neu justiert. Aber das wäre dann nicht der Neuanfang, den NRW so dringend braucht, wie es jedenfalls Christian Lindner immer wieder gepredigt hat. Es ist jetzt vor allem an ihm, dem Wählerwillen gerecht zu werden.
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