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NRZ: Grüne als neue Volkspartei - von MANFRED LACHNIET
Essen (ots)
Noch vor einigen Jahren war "Politik-Verdrossenheit" eine treffende Beschreibung für nachlassendes Interesse am politischen Geschehen. Diese Zeiten sind vorbei. Dass so viele Deutsche wie noch nie bei einer Europa-Wahl mitmachten, ist zunächst einmal ein gutes Zeichen für unser Land und für unsere Demokratie. Offensichtlich war es gut und richtig, dass in den vergangenen Wochen so intensiv über die europäische Idee diskutiert wurde und dass so viele Medien aufgeklärt und berichtet haben. Immer mehr Menschen scheint die europäische Sache am Herzen zu liegen. Fraglich ist allerdings, wie sich die EU nun mit dem neuen Parlament aufstellt. Die Wahlen mischen die Kräfte völlig neu. Für Deutschland wird das Ergebnis gehörige Konsequenzen haben: Das mehr als miserable Abschneiden der SPD trifft die eh schon angeschlagene Parteichefin Andrea Nahles ins Mark. Es dürfte nicht mehr lange dauern, bis sie ihr Amt verliert. Möglich auch, dass die Große Koalition eher beendet ist als noch vor wenigen Wochen vermutet. Doch dann wird auch CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer unter Druck geraten. Ihre innerparteilichen Kritiker dürften sicher lauter werden, wenn nach den Ursachen für das Minus der CDU gesucht wird. Immerhin kam sie gestern mit einem blauen Auge davon. Als neue Volkspartei stellen sich die Grünen dar. Sie vertreiben die SPD vom gewohnten zweiten Platz. Robert Habeck und Annalena Baerbock sind Politiker neuen Typs, die nicht allein bei den Jungen gut ankommen. Menschen aller Altersgruppen scheinen Klimaschutz als wichtigstes Thema erkannt zu haben. Sicher auch angespornt von den Jugendlichen der "Fridays for Future"-Bewegung. Rein rechnerisch kommen die Grünen mit den Christdemokraten nun auf rund 50 Prozent. Das lässt nun manchen von einer schwarz-grünen Bundesregierung träumen. Doch so weit ist es noch lange nicht; inhaltlich liegen ziemlich große Unterschiede zwischen den Parteien. Für die in letzter Zeit aufstiegsgewohnte AfD war die Europawahl indes ein Dämpfer. Sie holten ein zweistelliges Ergebnis, aber längst nicht so viele Stimmen wie erhofft. Sicher dürfte die hohe Wahlbeteiligung die Ursache für dieses Ergebnis sein. Politik-Begeisterung kann eben vieles bewirken.
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