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NRZ: Es gibt nichts schönzureden - ein Kommentar von JAN JESSEN
Essen (ots)
Der Albtraum der Volksparteien ist nicht wahr geworden. Sie sind abgestraft worden, aber die AfD hat es nicht geschafft, zur stärksten Kraft in Brandenburg oder in Sachsen zu werden. Mit 30 Prozent plus hat die CDU in Sachsen ein respektables Ergebnis eingefahren, das wird den Druck von der angeschlagenen Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer nehmen. In Brandenburg kann die SPD an der Regierung bleiben, auch wenn die Regierungsbildung kompliziert werden wird. Balsam für die geschundene sozialdemokratische Seele.
Es gibt aber nichts schönzureden. Ein Viertel der Wähler hat sich für eine Partei entschieden, die sich von einer rechtspopulistischen zu einer rechtsradikalen gehäutet hat, und in der nun jene Kräfte immer stärker werden, die rechtsextremistisch sind. Wer die AfD gewählt hat, kann sich nicht herausreden. Er hat sein Kreuz bei einer Partei gemacht, die für Ausgrenzung religiöser Minderheiten steht, von einer homogenen Volksgemeinschaft träumt und offen mit Verfassungsfeinden paktiert.
Es gibt dafür hinreichend ausgeleuchtete Gründe: Sehr viele Menschen in den neuen Bundesländern fühlen sich noch immer benachteiligt, als Bürger zweiter Klasse, gegängelt vom Westen. Bizarr ist: Eben diese ostdeutschen Wähler der AfD haben sich von den Westimporten Björn Höcke, Andreas Kalbitz oder Alexander Gauland eine billige und inhaltslose Illusion von Stolz und Würde verkaufen lassen, so wie sich zahlreiche Ostdeutsche in der Wendezeit von windigen westdeutschen Geschäftsleuten aufpolierte, aber schrottreife Gebrauchtwagen andrehen ließen.
Mit Naivität lässt sich das Wahlverhalten allerdings nicht entschuldigen. Wer völkische Rassisten wählt, die einen sozialen Nationalismus anstreben, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, selbst ein solches Gedankengut zu hegen. Eine Konsequenz dieses Wahlsonntags wird sein, dass nun auch in den AfD-Landesverbänden in den alten Bundesländern der rechtsextreme Flügel weiteren Aufwind bekommen wird. Jene, die sich in den Reihen der AfD noch als konservativ verstehen, sollten der Partei den Rücken kehren, um dem Rechtskurs keine Legitimation zu verschaffen.
In Brandenburg und Sachsen ist es nun an den der pluralistischen Demokratie verpflichteten Parteien, in den anstehenden Koalitionsverhandlungen würdevoll und anständig zu agieren; sie müssen in den kommenden Jahren offensiv deutlich machen, dass die freiheitlich-demokratische Grundordnung, Toleranz und Menschlichkeit nicht verhandelbar sind.
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