All Stories
Follow
Subscribe to Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung

Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung

NRZ: Moralische Bankrotterklärung - ein Kommentar von JAN JESSEN

Essen (ots)

Kaum hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Türkei nach seinen Gesprächen über neue Hilfen für Ankara verlassen, machten zwei Meldungen die Runde. Erneut sind deutsche Staatsbürger in der Türkei wegen der üblichen Terrorvorwürfe verhaftet worden, darunter eine kurdische Frau aus Hamburg. Zweitens erneuerte Staatspräsident Erdogan seine Drohung, in den Norden Syriens einmarschieren und dort Millionen syrischer Kriegsflüchtlinge ansiedeln zu wollen.

Konkret heißt das: Erdogan, der innenpolitisch mit massiven Problemen zu kämpfen hat, kündigt einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg und einen Bevölkerungsaustausch an. Dass dies keine leeren Drohungen sind, hat die Besetzung der vormals mehrheitlich von Kurden bewohnten Region Afrin im Nordwesten Syriens Anfang vergangenen Jahres gezeigt, die bis heute andauert und mit Kriegsverbrechen und der Vertreibung der angestammten Bevölkerung einhergegangen ist.

Geschäfte mit Despoten sind äußerst heikel. Wer mit Autokraten wie Erdogan Deals abschließt, der bestärkt sie in ihrem Vorgehen gegen Oppositionelle und Minderheiten. Dass das AKP-Regime immer noch unverhohlen Jagd nicht nur, aber vor allem auf Kurdinnen und Kurden macht, die sich in irgendeiner Weise für die Rechte ihres Volkes einsetzen, ist Berlin keine offizielle Kritik wert.

Natürlich ist Deutschland in einer Zwickmühle. Die türkische Regierung kann jederzeit die Flüchtlingsrouten wieder öffnen. Kaum auszumalen, was geschehen würde, wenn sich zum zweiten Mal nach 2015 Millionen Verzweifelte auf den Weg Richtung Zentraleuropa machten, dorthin, wo knüppeldicker Egoismus eine gerechte Verteilung von Geflüchteten verhindert.

Wenn aber die Türkei wieder mit aus Deutschland erworbenem Kriegsgerät im Nachbarland einfällt und dort mit verbündeten islamistischen und dschihadistischen Milizen marodiert, dann wird eine solche Invasion neue Flüchtlingsströme auslösen. Diese Leute werden wahrscheinlich nicht in die Türkei, sondern in die irakischen Kurdengebiete fliehen. Deutschland würde das vermutlich hinnehmen. Auch der Angriff gegen Afrin hat seinerzeit zu kaum einer nennenswerten Kritik aus Berliner Regierungskreisen geführt. Für Deutschland wäre das eine weitere moralische Bankrotterklärung.

Pressekontakt:

Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung
Redaktion

Telefon: 0201/8042616

Original content of: Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung, transmitted by news aktuell

More stories: Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung
More stories: Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung
  • 05.10.2019 – 11:46

    NRZ: Wie Seehofer an seinem Ruf arbeitet - von MANFRED LACHNIET

    Essen (ots) - Bei Seehofer reibt man sich verwundert die Augen: Erst ließ er wegen der Flüchtlingsfrage fast die Koalition platzen. Nun aber kümmert er sich um einen neuen Flüchtlingspakt mit der Türkei und spricht von nötiger Humanität. Was ist mit dem Mann bloß passiert? Die positiv klingende Antwort lautet: Er hat sich ein wenig in das Thema eingearbeitet und gelernt, dass man mit pauschalen und markigen ...

  • 29.09.2019 – 19:08

    NRZ: Kurz und Grün ist längst nicht ausgemacht - von MANFRED LACHNIET

    Essen (ots) - So einen Siegertypen wünscht sich bestimmt auch die deutsche CDU. Sebastian Kurz hat die ÖVP völlig auf seine Person zugeschnitten und ist nun stark wie nie. Dennoch unterscheiden sich die Konservativen der beiden Staaten deutlich. Kaum einer seiner Wähler nimmt es Kurz übel, dass er noch bis 2018 mit den radikalen Rechten regierte. Zwar büßte die ...

  • 25.09.2019 – 17:00

    NRZ: Thyssenkrupp droht ein heißer Herbst - von MANFRED LACHNIET

    Essen (ots) - In Wirtschafts-Nachrichten steht oft das Schicksal des Vorstandsvorsitzenden im Vordergrund. Gleich dahinter wird der Aktienkurs genannt, wenn es um das Auf und Ab eines Unternehmens geht. Darüber wird vergessen, was die Entscheidungen von Top-Managern und Anteilseignern für die vielen Mitarbeiter bedeuten. Die rund 160.000 Beschäftigten von ...