8. März Weltfrauentag / Malteser Nothilfe-Expertin Ursula Mesmer: "Im Kongo ist jeder Tag Weltfrauentag!"
Köln (ots)
Köln/Bukavu. Seit einer Woche läuft die Malteser Fastenaktion 2006: Mit "40 Fasten-Euro für Bukavu" macht Malteser International auf die kritische Lage der Mädchen und Frauen im Kongo aufmerksam. Immer noch werden "Vergewaltigungen als Kriegswaffe von allen beteiligten Konfliktparteien benutzt", wie die Malteser Nothilfe-Expertin Ursula Mesmer aus Bukavu mitteilt. Im Rahmen der Fastenaktion 2006 wird sie wöchentlich über ihre Erlebnisse vor Ort berichten. Denn: "Für mich ist im Kongo jeder Tag Weltfrauentag!"
Hier Ursula Mesmers erster Bericht aus dem Ostkongo für die Malteser Fastenaktion 2006:
Wir fahren mit dem Auto durch das grüne, bergige Land im Ostkongo westlich von Bukavu. Wie in einem Flussbett geht es auf schmaler Straße über einen Pass. Nach drei Stunden Fahrt erreicht unser Team den Ort Tubimbi. Hier treffen wir den Dorfverantwortlichen sowie einen Kommandanten der kongolesischen Armee. Von ihnen erhoffen wir uns Informationen über die Situation in Kilimanjala, unserem heutigen Zielort und über die Sicherheit der Strasse. Am vergangenen Samstag fuhr auf dieser Strecke ein Lastwagen auf eine Mine. Es gab elf Verletzte.
Wir entscheiden uns für die Weiterfahrt nach Kilimanjala. Mit uns im Auto ist der Verantwortliche des dort von den Maltesern unterstützten Gesundheitszentrums. Vor sechs Wochen wurde es geplündert. Wir wollen es wieder in Betrieb nehmen.
Der Ort Kilimanjala befindet sich in einem Gebiet, das bis vor kurzem von bewaffneten Rebellengruppen kontrolliert wurde. Ergebnis: Felder wurden zerstört, Häuser geplündert und das Gesundheitszentrum ausgeraubt. Frauen wurden systematisch vergewaltigt. Gewalt gegen die Zivilbevölkerung und speziell sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ein wesentlicher Bestandteil des andauernden Konfliktes im Ostkongo. Insbesondere Vergewaltigungen werden hier seit Jahren als Kriegsmittel oder Kriegswaffe von allen beteiligten Konfliktparteien eingesetzt. Dabei wissen die Täter: Ein entjungfertes Mädchen hat fast keine Zukunftschancen mehr, eine Witwe verliert jede Achtung und eine Ehefrau wird schnell von ihrem Ehemann oder dessen Familie verstoßen. Dazu kommen die körperlichen Folgen - Verletzungen, sexuell übertragbare Krankheiten - wie etwa HIV/Aids - und unerwünschte Schwangerschaften.
Die Malteser sind schon seit zehn Jahren im Kongo in der Kivu-Region tätig. Unter anderem unterstützen sie ein Netz von mehr als 300 lokalen Gesundheitsstationen. Seit 2003 läuft ein Projekt zur Hilfe für Opfer von sexueller Gewalt. Die Betroffenen erhalten medizinische Hilfe in 24 von Maltesern unterstützten und speziell ausgewählten Gesundheitsstationen sowie psychologische Betreuung und Hilfe durch lokale Partnerorganisationen der Malteser. Zusätzlich wird gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium und den Partnerorganisationen eine "Sensibilisierungskampagne gegen sexuelle Gewalt" durchgeführt. Auch deshalb ist unser Team heute in Kilimanjala. Die Menschen sollen verstehen, dass es nicht Einzelne sind, denen sexuelle Gewalt widerfährt.
In Kilimanjala die erschütternde Zahl: ungefähr 70 Prozent der Frauen sind vergewaltigt worden. Jede dieser Frauen soll wissen, dass sie Hilfe und Unterstützung bekommen kann. Gleichzeitig gilt: Täter in die Sensibilisierung einbeziehen. Ein diplomatisch humanitärer Hochseilakt! Doch es gibt keine Alternative: alle Seiten müssen über die Auswirkungen und Konsequenzen von Vergewaltigungen aufgeklärt werden: ohne Werte und Normen zerfleischt eine Gesellschaft sich selbst.
Ein Lichtblick: trotz des geplünderten Gesundheitszentrums. Langsam kommt wieder Leben ins Dorf. Die Geflohenen kehren nach und nach zurück, Alltag wird spürbar. Unser Team berichtet, dass eine "Sensibilisierung" aller Seiten organisiert wird und dass alle Frauen, die vergewaltigt wurden, ab sofort wieder Hilfe im Gesundheitszentrum erhalten. Diese Nachricht wird freudig aufgenommen, spricht sich schnell auf dem Markt herum.
Auf der Rückreise nehmen wir in Walungu ein 16-jähriges Mädchen mit. Sie heißt Bora, wurde mit einer Gruppe aus ihrem Dorf in die Wälder entführt und dort zwei Wochen lang festgehalten. Was sie alles erlebt und durchgemacht hat, kann sie uns nicht erzählen. Bora redet nicht mehr und isst nichts mehr, seit sie zurück ist. Sie fährt mit uns nach Bukavu, weil dort Verwandte von ihr wohnen. Eine psychologisch ausgebildete Malteser Mitarbeiterin wird sich um das Mädchen kümmern.
Ursula Mesmer
Achtung Redaktionen: Ursula Mesmer steht für Interviews zur Verfügung (Vermittlung unter 0160 - 70 77 689). Foto unter: www.malteser.de -> aktuelles -> aktuelle Bilder zum Download.
Seit zehn Jahren unterstützen Malteser International mehr als 300 Gesundheitszentren im Kriegsland Kongo. Allein im vergangenen Jahr suchten mehr als 10.000 misshandelte und vergewaltigte Frauen die Hilfe der Malteser. Aufgrund der vielen gewalttätigen Übergriffe auf Mädchen und Frauen sorgen die Malteser speziell für die medizinische und seelische Betreuung der Gewaltopfer. Mit 40 "Fasten-Euro" können in Bukavu 15 Gewaltopfer über drei Monate mit Medikamenten versorgt werden.
Um die Not der Frauen im Kongo weiter lindern zu können, sind die Malteser dringend auf Spenden angewiesen: Spendenkonto 120 120 120 Bank für Sozialwirtschaft (BLZ 370 205 00) Stichwort "Kongo"
Weitere Informationen: Dr. Claudia Kaminski Pressesprecherin Malteser Hilfsdienst Telefon 0221/9822-125 Fax 0221/9822-119 Mobil 0160/70 77 689 presse@maltanet.de www.malteser.de
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