Neues Deutschland: zur Äußerung des Bundespräsidenten über das Ehrenamt
Berlin (ots)
Ein Bundespräsident unterscheidet sich in seinen Wirklichkeitsberührungen nur dadurch vom Papst, dass er den Boden nicht küsst. Obwohl auch Bundespräsidenten die Realität jedes Mal mit einem Blick betreten, als seien sie gerade im fernsten Ausland angekommen. Herr Köhler staunt schöner denn all seine Vorgänger. Nun ruft er die Deutschen auf, sich ehrenamtlich zu engagieren - die Gemeinschaft lebe davon, dass »Menschen mehr tun, als sie nur müssen«. Viele wären schon froh, wenn sie überhaupt was tun könnten. Und manche sollten, der Gemeinschaft zum Nutzen, doch bitte weit weniger von dem tun, was sie leider dürfen. Es gibt sieben Todsünden, aber eine Gesellschaft stirbt nicht an der Lust auf Sünden, sondern an Gier nach Pfründen. Die Ehre fügt sich bisweilen nur deshalb bekömmlich ins Amt, weil zur Geltung viel Geld kommt. Eine bundesweite Analyse sagt: Speziell der Ostdeutsche interessiert sich leider nur mäßig fürs Ehrenamt, also fürs unentgeltliche Mühen. Das ist eine Nachwirkung der DDR: Man hat schon mal einen ganzen Staat nahezu für umsonst aufgebaut - was hat's gebracht? Seltsames Wort: Ehrenamt. Was Ehre machen soll, macht erst mal Arbeit. Also wäre Arbeitsamt treffender. Aber dieses Wort, auch wenn sich dahinter längst eine Agentur verbirgt, bleibt weiterhin böse besetzt. Und ist letztlich doch der falsche Begriff. Denn das erste, was in dortigen Warteschlangen zermürbt wird, ist gewisslich die Ehre.
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