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Neues Deutschland: zur Gerechtigkeit in Deutschland

Berlin (ots)

»Man wird moralisch, sobald man unglücklich ist« -
nicht nur Marcel Proust war auf der Suche nach der verlorenen Zeit. 
Auch der Bundespräsident ist es. Und hört man sein Klagen über 
Unternehmer, die die Bodenhaftung verlieren, nur auf den eigenen 
Kontostand schielen und so den sozialen Frieden gefährden - dann ist 
Horst Köhlers Unglück geradezu greifbar.
 Allerdings: So hilfreich, wie der DGB-Chef die Äußerungen des 
Staatsoberhauptes auch empfinden mag - Appelle dieser Art sind 
inzwischen schon mehrfach verhallt. Roman Herzog hat auf den Ruck, 
der durchs Land gehen muss, vergeblich gewartet, Johannes Rau das bei
Politikern und Unternehmern in seiner letzten Berliner Rede 
angemahnte Vertrauen in Deutschland nicht hinbekommen. Alle nicken, 
klatschen und zeigen sich ergriffen - und weiter geht's im realen 
Alltag des real existierenden Kapitalismus. Ellenbogen raus und rein 
in den Selbstbedienungsladen, so lange man noch Zutritt hat. Insofern
dürften Köhlers Appelle an Mäßigung und Vorbild in vielen 
Vorstandsetagen allenfalls betretenes Schweigen, wenn nicht 
homerisches Gelächter auslösen. Bundespräsidenten sind für 
Sonntagsreden da. Von Montag bis Freitag haben andere das Sagen. 
Manager, die auf den Zwang des Faktischen, Konkurrenz und 
Globalisierung verweisen. Und Politiker, die der gleiche 
Bundespräsident gerade wieder aufgefordert hat, in ihrem Reformeifer 
nicht zu erlahmen. Doppelmoral ist eben keine Steigerungsform von 
Moral.

Pressekontakt:

Neues Deutschland
Redaktion / CvD

Telefon: 030/29 78 17 21

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