Neues Deutschland: zum Deutschland-Besuch des türkischen Premiers
Berlin (ots)
Nach dem Deutschlandbesuch des türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan bleibt ein eher zwiespältiger Eindruck. Zunächst konnte Erdogan die aufgeheizte Stimmung rund um die Ereignisse in Ludwigshafen beruhigen. Am Sonntag in der Kölnarena vor 16 000 Zuschauern wies er seine Landsleute auf die Wichtigkeit hin, die deutsche Sprache zu erlernen und betonte die Friedfertigkeit aller im Ausland lebenden Türken. Er sagte Sonntag aber auch: »Assimilierung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.« Erdogan hat Recht, wenn er durch eine erzwungene Integration ausländischer Mitbürger einen kulturellen Identitätsverlust befürchtet. Eine eigene Identität muss jedem in Deutschland lebenden Ausländer als ein unveräußerliches Recht zugebilligt werden. Menschen aus anderen Staaten zum Deutschsein zu verdonnern, ist ein fataler Ansatz restriktiver Integrationspolitik. Aber Assimilierung ist nicht mit einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichzusetzen. Gleichzeitig muss das Recht auf eine eigene kulturelle Identität auch für Menschen in der Türkei gelten. Ein Rückschritt zu einer restriktiven Kurdenpolitik in der Türkei wäre entgegengesetzt der Forderung, die Erdogan am Sonntag äußerte. Vor seiner nächsten Wahlkampfveranstaltung sollte der türkische Ministerpräsident sich an Verbrechen gegen die Menschlichkeit im 20. Jahrhundert erinnern. Eine andere Wortwahl müsste dann die Folge sein.
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