Neues Deutschland: Vatikan und Muslime
Berlin (ots)
Glaube und Vernunft »widersprechen einander nicht«, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, auf die sich in Rom Vertreter des Vatikans und islamische Theologen aus Iran geeinigt haben. Diese apodiktische Feststellung verwundert zwar angesichts der beiden Religionen eigenen Skurrilitäten. Sie ist aber offenbar gerade deshalb für eine versöhnliche Bezugnahme geeignet. Denn der Eindruck, den Papst Benedikt XVI. vor anderthalb Jahren mit seiner Regensburger Rede erweckt hatte, sorgte bekanntlich für Unmut und Protest in der muslimischen Welt.
Auch damals ging es um Glaube und Vernunft, wobei diese Verbindung in der Auslegung des Vortrags dem Christentum zugeordnet wurde und dem Islam nur die Paarung Glaube und Gewalt blieb. Eine falsche Interpretation, hatte Benedikt stets beteuert. In der Tat sparte Joseph Ratzinger bereits im Amt des Glaubenspräfekten nicht an Hochachtung vor dem fundamentalistischen Potenzial des orientalischen Pendants. »Der feste Glaube der Muslime an Gott ist auf jeden Fall eine positive Herausforderung an uns«, erklärte er beispielsweise im November 2004. Auch als Bündnispartner waren dem Heiligen Stuhl islamische Staaten willkommen, so 1995 bei der Weltfrauenkonferenz in Peking, wo sich dieserart eine Front gegen sexuelle Selbstbestimmung aufbaute. Da verwundert es nicht, dass die jetzt verabschiedete Erklärung zwar den Missbrauch von Glaube und Vernunft zur Gewaltausübung verurteilt, aber zugleich betont, derlei könne »weder die Vernunft noch den Glauben in Zweifel ziehen«. Solch gegenseitige Generalabsolution könnte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein - Casablanca statt Tabula rasa.
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