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Neues Deutschland: zur Leipziger Buchmesse

Berlin (ots)

Wir kommen nicht aus ohne Tendenz. Es muss etwas
logisch sein. Kein Knäuel, das wir nicht abwickeln, bis man daraus 
eine Linie ziehen könnte. So funktionieren Ideologien, Parteien - und
auch ein vergleichsweise harmloses Ding wie eine Buchmesse: Klarheit 
hat zu herrschen. In diesem Frühjahr etwa lesen die Leute, heißt es 
in einer Frankfurter Sonntagszeitung, vor allem - Krisenbücher.
 Haben wir Krisenbücher nicht immer schon gelesen? Jedes Kochbuch 
baut auf die Krise, die Hunger heißt. Goethes »Werther«, ein 
Fundament vieler Geschichten über die vertrackte Nähe von Eros und 
Tod - ist es nicht par excellence das Buch zur Krise aller Krisen, 
der Liebe? Stoff der Stoffe. So gesehen ist Leipzigs Buchmesse, die 
heute eröffnet wird, pures Krisenmanagement. Freilich nicht zur 
Lösung, sondern zur Schaffung eines Problems: Wer liest, gräbt herum 
in sich, und es müsste schon ein Gott oder  Teufel sein, wer dabei 
nicht in die Krise kommt.
 Wer liest, bildet sich? Unsinn. Wer liest, bildet sich ein. Dass die
Welt anders sein könnte. Es ist aber mit der Literatur ein wenig wie 
mit dem Christentum: Wer das nämlich ganz ernst nimmt, der macht sich
seelisch unfähig für die Wildnis einer geldwütigen Welt. Auch Poesie 
macht weich, wo Härte verlangt wird. Das ist die Gefahr der 
Literatur. Vorsichtshalber zählt sie zur Unterhaltung, schon fürchtet
man sie nicht mehr so. Und also bleibt jede Krise. Wie sie im Buche 
steht. Leipzig liest. Vier Tage Hauptstadt der wahren Welt.

Pressekontakt:

Neues Deutschland
Redaktion / CvD

Telefon: 030/2978-1721

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