Neues Deutschland: zu Erdogans Nahostpolitik
Berlin (ots)
Ein Türke neuer Führer der arabischen Volksmassen? Deren heimlicher Held ist Erdogan bereits vor seinem triumphalen Ägypten-Besuch gewesen. Der türkische Ministerpräsident regiert ein - im Gegensatz zu allen Nachbarn - wirtschaftlich prosperierendes, dazu militärisch starkes Land, das mit allen globalen und regionalen Mächten auf gutem Fuße steht. Bisher auch mit Israel. Das ist seit dem lautstarken Streit um die Gaza-Hilfsflotte anders. Zwar gilt als ausgemacht, dass Israels Premier Netanjahu schon mit einem Mindestmaß an Demut in Ankara Verzeihung hätte erlangen können. Aber er tat es nicht. Erdogan, der Netanjahu an demagogischem Talent in nichts nachsteht, hat den leichtfertig dahingeworfenen Fehdehandschuh des Israelis dankbar aufgenommen. Noch ein paar militante Parolen, und schon genoss er die Ehre des obersten Verteidigers der Palästinenser. Diese machte ihm zuletzt freilich niemand in der Region streitig. War die Solidarität mit den Palästinensern einst Konsens unter allen arabischen Führern - wenigstens in Worten -, so ist davon fast nichts geblieben. Vor allem Wortführer Ägypten war unter Mubarak eher Garant der israelischen Politik als Sachwalter palästinensischer Menschenrechte. Die Krise ausnahmslos aller arabischen Regimes am östlichen Mittelmeer, dazu die in Griechenland, hat ein Machtvakuum hinterlassen, das förmlich danach schrie, ausgefüllt zu werden. Tayyip Erdogan hat es nur erhört.
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