Neues Deutschland: Karlsruhe prüft Euro-Verträge
Berlin (ots)
Wie sähe die Demokratie in der Bundesrepublik ohne das Verfassungsgericht in Karlsruhe aus? Vermutlich gäbe es sie gar nicht mehr. Ohne die obersten Richter, die übereifrige, ignorante oder tatsächlich mit Absicht gegen das Grundgesetz handelnde Politiker zurückpfeifen, wäre von der Verfassung noch weniger übrig, als es ohnehin der Fall ist. Eine Devise bundesdeutscher Politik lautet nämlich leider: Wollen Gesetze einfach nicht zum Grundgesetz passen, wird es geändert - bisher über 50 Mal. Dass es diesmal nicht auch für den Fiskalpakt und ESM auf diesem Weg versucht wurde, mag daran liegen, dass die erforderlichen Änderungen so gravierend sind - die Abtretung grundlegender Entscheidungsrechte an die EU -, dass die geänderte Verfassung nach Paragraf 146 GG durch eine Volksabstimmung legitimiert werden müsste. Doch man hat es eilig, sehr eilig. Denn das kapitalistische Finanzsystem verlangt nach immer neuen Euro-Milliarden. Und die Politik liefert, ohne Rücksicht auf Verfassungen und Menschen - anstatt das System zu ändern durch Gesetze, die locker etwa mit dem Grundgesetz vereinbar wären. Die Richter in Karlsruhe wollen sich anders als die Bundesregierung offenbar nicht zu den Gejagten der Märkte machen lassen und in Ruhe prüfen. Auch in Krisenzeiten kann man also die Nerven behalten und wenigstens abwägen, welche Interessen überwiegen, anstatt aus Angst vor Banken und Ratingagenturen nicht mal eine Waage in die Hand zu nehmen.
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