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Regel und Ausnahme - Kommentar zum Selbstverständnis der FDP nach der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen

Berlin (ots)

Die Empörung war groß, als sich jetzt zeigte, dass Freidemokraten in Erfurt gegen links auch mit aggressiven Rechtsradikalen paktieren. Das dabei oft mitschwingende Erstaunen aber ist selbst erstaunlich. Denn dass die FDP für ein "liberales Bürgertum" stünde, für gebildete, aufgeklärte, zivilisierte Haltung, ist eine hartnäckige Legende.

Diese Fiktion speist sich aus nur zwei Jahrzehnten FDP-Geschichte: Vom Jugendverband aus wurde in den 1960ern eine Generation um Gerhart Baum, Günther Verheugen oder Roland Appel prägend, die ihre Partei zum Partner Willy Brandts und dessen Reformen machten. Doch mit dem Koalitionsbruch von 1982 war das im Grunde vorbei. Mit Ausnahmen wie Sabine Leutheusser-Schnarrenberger übernahmen Marktradikale und Klientelpolitiker à la Guido Westerwelle. Auch kam es zu "nationalliberalen" Vorstößen wie nach 1990 um Alexander von Stahl.

Dass jenes "bürgerliche" FDP-Gesicht der 1970er die Ausnahme war und nicht etwa die Regel, zeigt auch der Blick in die Nachkriegszeit. Da war es stets die FDP, die am lautesten nach dem "Schlussstrich" rief. Sie fungierte als nationalistisches Auffangbecken und hatte bis 1968 einen Erich Mende zum Chef, der sich in Fackelmärschen und revanchistischen Reden gefiel. Schon die Weimarer FDP-Vorläufer stellten sich nicht gegen Hitler, sondern drifteten ab 1930 rapide nach rechts.

Doch muss man so tief gar nicht graben, um von der Skrupellosigkeit Thomas Kemmerichs - und wohl auch Christian Lindners - nicht im geringsten überrascht zu sein. Schließlich entstand die AfD in ihrer ersten Inkarnation quasi als militanter FDP-Ableger gegen die "Griechenlandrettung". So rottet sich nun zusammen, was nie so weit auseinanderlag.

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