Da vorne sitzt ein Mensch
Idstein (ots)
- Was denken wir eigentlich über Busfahrer? Forscher der Hochschule Fresenius legen Studienergebnisse vor - Details zur Studie und den Erhebungsmethoden und O-Töne von Busfahrern sind im Bericht auf dem Wissenschaftsblog adhibeo abrufbar: http://bit.ly/2ok7DDP
Die gesellschaftliche Bedeutung des Busfahrers ist hoch, dennoch leidet der Beruf unter einem schlechten Image. Gründe dafür sind in erster Linie eine hohe Erwartungshaltung der Fahrgäste und die Mentalität, ihn für Dinge verantwortlich zu machen, für die er nichts kann. Auch die so genannte Stellvertreterhaftung ist ein Thema. Fragt man Busfahrer selbst, bekommt man zur Antwort, dass sie ihren Beruf lieben, aber mit den täglichen Arbeitsbedingungen unzufrieden sind. Diese Kernaussagen hat ein Forscherteam der Hochschule Fresenius ermittelt.
Spontan nach dem Aussteigen aus dem Bus angesprochen, haben viele keine Erinnerung an den Busfahrer. Die ersten Attribute, die Befragte mit dem Beruf assoziieren, sind unter anderem "unattraktiv" und "langweilig". "Diese Einschätzungen überträgt die Gesellschaft auch auf den hinter dem Beruf stehenden Menschen", berichtet Dr. Sabine Hammer vom Institut für komplexe Gesundheitsforschung an der Hochschule Fresenius. Das Institut hat gemeinsam mit DB Regio Bus im Rahmen der Studie "Meine Arbeit, meine Leistung" die Rolle des Busfahrers in der Gesellschaft näher untersucht. Es besteht eine Diskrepanz zwischen der gesellschaftlichen Bedeutung des Busfahrers und seinem Ansehen. 574 Befragte bewerteten die gesellschaftliche Bedeutung auf einer Skala von 1 (sehr niedrig) bis 10 (sehr hoch) durchschnittlich mit einem Wert von 7,7. Gar mit einer 9,0 wird die Verantwortung des Busfahrers beurteilt. Demgegenüber steht die mit 4,2 niedrige Einschätzung des Ansehens des Busfahrers.
Woher kommt das? Sabine Hammer: "Mehr als drei Viertel der Befragten haben eine Erwartungshaltung an Dienstleistung und Service, die über die bloße Beförderung hinausgeht. Je mehr sich jemand wünscht, desto eher ist natürlich auch der Punkt der Unzufriedenheit erreicht." Außerdem würden Aspekte in den Verantwortungsbereich der Fahrer verlagert, die dort nicht hingehören. Mit dem Ergebnis, dass auch die Arbeitsleistung negativ bewertet wird. Ein Beispiel: Die Befragten wünschen eine optimale "Transportleistung", also das Anfahren aller Haltestellen und Pünktlichkeit, und geben als Zahl für ihre Erwartung eine 10 an. Die Beurteilung ihrer tatsächlichen persönlichen Erfahrungen liegt mit 7,2 deutlich darunter. "Dabei kann der Busfahrer nur in den seltensten Fällen etwas für eine Verspätung", sagt Hammer. Diese Haltung zieht sich auch durch andere Bereiche, sogar für Ausstattung und Zustand des Fahrzeugs wird der Fahrer verantwortlich gemacht. "Er wird ziemlich unreflektiert stellvertretend in die Haftung genommen. Wer der eigentliche Verursacher ist - oft genug die Fahrgäste selbst - wird nicht in Erwägung gezogen", ergänzt Hammer. Resultat sei häufig ein respektloser Umgang mit den Fahrern. Mit der mangelnden Wertschätzung haben die Busfahrer ein großes Problem, sie fühlen sich herabgestuft. "Es wäre schön, als Mensch wahrgenommen zu werden", lautet deshalb ein großer Wunsch der Berufsgruppe.
Im Rahmen der Selbstwahrnehmung der Busfahrer haben die Forscher der Hochschule Fresenius außerdem ermittelt, dass diese sich stark mit ihrem Beruf identifizieren und ihn grundsätzlich gerne ausüben. Demgegenüber steht aber eine große Unzufriedenheit mit den täglichen Arbeitsbedingungen und Erlebnissen. Auf einer Skala von 1 (sehr unzufrieden) bis 10 (sehr zufrieden) bewerten 323 Befragte ihre Arbeitszufriedenheit mit einem Mittelwert von gerade einmal 4,7. "In den persönlichen Interviews mit den Busfahrern wurde deutlich, dass sie eine Reihe von Umständen als belastend und beanspruchend wahrnehmen", so Hammer. Beim Detailblick fällt die Zufriedenheit mit dem Gehalt am schlechtesten aus (Mittelwert: 3,3). Auch die beruflichen Perspektiven, die Arbeitszeiten und Pausenregelungen werden mit einer 4,0 eher schlecht bewertet. Häufige Schichtwechsel führen beispielsweise zu Schlafstörungen. Ebenso unregelmäßig seien die Essenszeiten. Gepaart mit dem Bewegungsmangel führt das natürlich zu Übergewicht, Rückenschmerzen und insgesamt zu einem reduzierten Wohlbefinden. "Die Forschungsergebnisse sind für uns als Arbeitgeber sehr aufschlussreich. Uns liegen jetzt erstmals zu wichtigen Kernthemen belastbare Daten vor. Auf der anderen Seite haben wir aber auch viele Erkenntnisse zu den so genannten weichen Faktoren gewonnen" sagt Siegfried Moog, Leiter Personal DB Regio Bus. "Daraus ergeben sich Anhaltspunkte dafür, an welchen Stellen wir etwas verändern müssen."
Prof. Dr. Christian T. Haas, Leiter des Institutes für komplexe Gesundheitsforschung, nimmt die Gesellschaft in die Pflicht: "Wichtig ist ein verändertes Bild vom Beruf des Busfahrers. Wir alle müssen daran arbeiten, die Diskrepanz zwischen Bedeutung und Image zu beseitigen und eine Atmosphäre des respektvollen Umgangs und der Anerkennung der Leistung zu etablieren. Davon profitieren wir alle."
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