Keine Herzoperationen für Raucher?
Europa Fachhochschule Fresenius: Experten diskutierten über Kosten und Reformbedarf des Gesundheitswesens
Idstein (ots)
In Großbritannien müssen Raucher Herzoperationen aus eigener Tasche bezahlen. Das berichtete Dr. Sam Salek, Leiter des Zentrums für Sozioökonomische Forschung der Cardiff University in Wales, bei einer Podiumsdiskussion in der Europa Fachhochschule Fresenius in Idstein am 13. Oktober. Experten aus Medizin, Forschung und Presse erörterten, wie angesichts begrenzter Finanzen die Gesundheitsversorgung gewährleistet werden kann.
Salek forderte für alle Gesundheitsleistungen von Medikamenten bis ärztlichen Behandlungen den Nachweis, dass sie wirksam und effizient sind. Für Herzoperationen treffe dies grundsätzlich zu. Da aber Raucher häufig erneut operiert werden müssen und somit enorme Folgekosten verursachen, würden sie in Großbritannien seit acht Jahren zur Kasse gebeten. Damals noch ein Tabubruch, sei es heute jenseits des Ärmelkanals längst Gang und Gäbe, ethische Gesichtspunkte bei der öffentlichen Finanzierung medizinischer Leistungen hinzuzuziehen.
"Nicht alles, was wirksam und effizient ist, kann auch bezahlt werden", bestätigte Dr. Harald Herholz, Leiter der Stabsstelle Qualitätssicherung bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen. Er forderte auch für Deutschland eine offene Diskussion über Verteilung, Auswahl und Bewertung verschiedener Gesundheitsdienstleistungen, basierend auf ethischen Grundüberlegungen: "Dafür gibt es hierzulande kein funktionierendes Werkzeug", so Herholz.
Zuteilungsmedizin und Wartelisten schrecken in Großbritannien niemanden mehr, aber auch in Deutschland müssen Ärzte Prioritäten setzen, wenn das Budget knapp wird: "Ärztliche Leistungen werden mit immensem bürokratischen Aufwand kontrolliert. Aber bei der Frage, welche Leistungen sie welchen Patienten aus Budgetgründen vorenthalten, werden die Ärzte allein gelassen. Sie können diese Probleme nicht lösen, müssen aber in der Praxis die Entscheidungen treffen", kritisiert Dr. Ursula Stüwe, Präsidentin der Landesärztekammer Hessen. Gesundheitsökonomin Prof. Dr. Gudrun Neises von der Europa Fachhochschule Fresenius fordert mehr Patientenorientierung: "Über 250 Kostendämpfungsmaßnahmen gab es seit 1977. Medizin sollte nicht allein nach ihren Kosten bewertet werden, sondern danach, welchen Nutzen sie Patienten bringt."
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