Aachener Nachrichten: Kommentar zu Schäubles Rückzieher beim Waffenrecht: Unfreiwilliges Kabarett
Aachen (ots)
Von Georg Müller-Sieczkarek / War was? In neuer deutscher Bestzeit hat Wolfgang Schäuble seinen Versuchsballon höchstpersönlich vom Himmel geholt - peng! Den bizarren Versuch, das Waffenrecht wieder zu lockern, könnte man getrost als unfreiwillige Kabarettnummer abbuchen - wenn denn die Sache nicht so bitterernst wäre. Ausgerechnet Sheriff Schäuble, der sich in seiner Law-and-Order-Haltung nur ungern übertreffen lässt, tritt eine völlig überflüssige Diskussion los, um zwei Tage darauf eiligst zurückzurudern. Schon die Begründung war einigermaßen grotesk. Punkt eins: "Nicht nachweisbar" sei der Sicherheitsgewinn durch die Heraufsetzung der Altersgrenze, heißt es. Da möchte man schon gerne wissen, was man im Hause Schäuble unter einem solchen Nachweis versteht und wie dieser denn zu erbringen wäre. Überdies wollte Schäuble - Punkt zwei - einer anstehenden europaweiten Angleichung des Waffenrechts vorgreifen. Doch wozu diese Eile? Und warum einer EU-Regelung faktisch zustimmen, die geltendes deutsches Recht verwässert? Nein, das eine wie das andere sind ausgemachter Quatsch. Niemand vermag schlüssig zu begründen, warum ein junger Mensch zwischen 18 und 21, der in seiner Freizeit gerne ballert, unbedingt großkalibrige Waffen mit nach Hause nehmen soll. Dabei gibt es bei dem Thema durchaus gesetzgeberischen Handlungsbedarf, nur anders, als Schäuble und die Waffenlobby meinen. Schätzungsweise 20 Millionen Schießeisen aller Art horten die Deutschen in Schränken und Schubladen - illegal. Wer hierzulande unbedingt an Schusswaffen kommen will, findet meist auch einen Weg, und der führt nicht unbedingt über den Waffenschein. Für die rund zehn Millionen registrierten Pistolen, Revolver und Gewehre gibt es immer noch keine zentrale Datei. Ein nicht nachvollziehbares Versäumnis, wie auch Polizeipraktiker immer wieder bemängeln. Und, nebenbei, auch ein schönes Thema für eine europäische Harmonisierung. Im EU-Parlament liegt ein Gesetzentwurf, der eben solch ein Zentralregister vorsieht. Was bleibt von der Aufregung, sind wachsende Zweifel an der Person des Sicherheitsministers. Erst seine verwegene Idee, Terrorverdächtige notfalls zu töten, dann das starrsinnige Festhalten an der Computer-Schnüffelei, jetzt der Hüftschuss beim Waffenrecht: Es scheint, als sei dem kühlen Analytiker Schäuble der Sinn für das gesellschaftlich Sinnvolle und politisch Machbare irgendwie abhanden gekommen. So läuft einer der klügsten Köpfe der Union Gefahr, sich selbst zu demontieren. Schade.
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