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Aachener Nachrichten: Zeitenwende - die Grünen gehen in Hessen eine Mesalliance mit der CDU ein. Von Joachim Zinsen

Aachen (ots)

Persönlicher Ehrgeiz schlägt politischen Anspruch: Tarek al-Wazir wird wohl bald als Wirtschafts- und Verkehrsminister Hessen mitregieren. Seine Partei will erstmals in einem Flächenland ein Bündnis mit der CDU bilden. Von Wiesbaden geht das bundespolitische Signal aus: Wenn die Grünen selbst die stockkonservativen hessischen Christdemokraten für koalitionsfähig halten, dann ist Schwarz-Grün ab sofort überall möglich. Al-Wazir läutet damit nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Partei eine Zeitenwende ein. Der Preis für die wundersame neue Freundschaft ist jedoch hoch. Denn in dem Koalitionsvertrag hat sich die grüne Parteiführung von einigen ihrer alten Kernanliegen verabschiedet. Klare Forderungen sind zu vagen Absichtserklärungen geschrumpft oder - schlimmer noch - fallen gelassen worden. Beispiel Frankfurter Flughafen: Vor der Wahl haben die Grünen dafür gekämpft, aus Rücksicht auf die Anrainer des Verkehrsknotenpunkts das Nachtflugverbot auszuweiten. Der jetzt mit der CDU vereinbarte Kompromiss setzt darauf, dass die Luftfahrtbranche anhand von ein paar Vorgaben selbst für längere nächtliche Lärmpausen sorgt. Einige Bürgerinitiativen und Umweltverbände, also Teile des grünen Kernmilieus, fühlen sich deshalb verschaukelt. Wundern darüber dürfen sich Al-Wazir und seine Mitstreiter nicht. Beispiel Finanzen: Vor der Wahl drängten die Grünen auf höhere Steuereinnahmen. Jetzt haben sie sich zu einem knallharten Sparkurs verpflichten lassen. Leidtragende sind Hessens Polizeibeamte und andere Landesbedienstete. Sie sollen sich in den kommenden Jahren mit einer allenfalls minimalen Erhöhung ihrer Besoldung zufrieden geben. Zudem wollen die Regierungspartner in spe Stellen in der Landesverwaltung abbauen und kräftig im Hochschulbereich sparen. Das verträgt sich allerdings so gar nicht mit dem Anspruch der Grünen, für Investitionen in die Zukunft zu sorgen und gleichzeitig die öffentliche Daseinsvorsorge nicht weiter zu schwächen. Auf der Suche nach der Identität Seit der Niederlage bei der Bundestagswahl sind die Grünen auf der Suche nach der eigenen Identität. Ihr linker wie rechter Flügel betont die Eigenständigkeit der Partei. Dazu gehört natürlich, dass die Grünen sich nicht alleine an die SPD binden und ihre Regierungsbeteiligung von Inhalten abhängig machen. Dass die Partei dabei auch Kompromisse mit den jeweiligen Partnern eingehen muss, ist ebenfalls selbstverständlich. Aber sie darf sich nicht zu billig verkaufen und beliebig werden. Im Falle Hessen sehen Teile der grünen Basis diesen Sündenfall gegeben. Manche fürchten sogar, in Wiesbaden werde durch eine Mesalliance mit den alten Intimfeinden von der CDU die Axt an die Wurzel ihrer Partei gelegt. Auch wenn diese Angst in manchen Ohren übertrieben klingt, heftig widersprechen mag man ihr nicht.

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