Aachener Nachrichten: Feudales Relikt - Die strafbefreiende Selbstanzeige gehört abgeschafft; Von Joachim Zinsen
Aachen (ots)
Was geschieht mit einem Seriendieb, den plötzliche Reue überfällt und der deshalb seine Beute zurück gibt? Natürlich: Er muss sich vor Gericht verantworten. Seine Selbstanzeige wird ihm dort zwar strafmildernd angerechnet. Aber an einer Verurteilung kommt er nicht vorbei. Ebenso verfahren unsere Strafverfolgungsbehörden mit allen anderen Delikten. Nur wenn es um jahrelange, systematische Steuerhinterziehung geht, zeigt sich Justitia vor ihrer nachsichtigen Seite. Dann reicht eine umfassende Selbstanzeige, und schon ist der Betrüger raus aus dem Schneider. Niemand hat bisher plausibel erklären können, warum es in unserem Recht solche Unterschiede gibt. Verteidiger der strafbefreienden Selbstanzeige argumentieren zwar gerne, dass durch dieses Instrument dem Fiskus jährlich Milliarden Euro in die Kasse gespült werden. Ja und? Der gleiche Effekt wäre zu erzielen, wenn die Steuerfahndung personell besser ausgestattet würde. Wenn der Fiskus beispielsweise in der Lage wäre, Unternehmen häufiger als nur alle zehn oder zwanzig Jahre zu prüfen. Oder wenn im Kampf gegen Steueroasen wirklich einmal die Kavallerie ausrückt. Doch daran scheinen mächtige gesellschaftliche Kräfte nur bedingt Interesse zu haben. Etwa, weil millionenschwere Steuerhinterziehung Schwerstkriminalität der Oberschicht ist? Die strafbefreiende Selbstanzeige ist jedenfalls ein Relikt aus feudalen Zeiten. Sie gehört abgeschafft - ohne Wenn und Aber.
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