MEDIENTAGE MÜNCHEN 2013 vom 16. bis 18. Oktober Themen-Special Publishing: Paid Content contra Gratis-Kultur
München (ots)
Viele Jahre lang haben Verlage ihren Online-Content verschenkt. Doch die Zeiten der Gratiskultur scheinen passé. Gut fünfzig deutsche Verlage haben inzwischen für ihre Internetinhalte eine Paywall eingerichtet, also Inhalte hinter eine virtuelle Bezahlschranke platziert. Mittlerweile, so zeigte sich bei den MEDIENTAGEN MÜNCHEN, sind viele Zeitungshäuser optimistisch, mit ihren Bezahlinhalten (Paid Content) auch Geld verdienen zu können. Die Geschäftsmodelle dafür sind noch unterschiedlich und hängen jeweils davon ab, welche Inhalte an welche Leser vermarktet werden sollen.
Ausgerechnet in einer Phase, in der sich Paid-Content-Modelle im Markt zu etablieren scheinen, startete jüngst die Huffington Post und setzte dabei ganz auf die Gratismentalität, und zwar bei Lesern und Autoren. Dass Blogger von der Huffington Post für ihre Beiträge nur mit der Währung Aufmerksamkeit entlohnt werden, hielten während der MEDIENTAGEN MÜNCHEN Kritiker für gefährlich. Peter Würtenberger, Chief Marketing Officer der Axel Springer AG, nannte die Strategie der Huffington Post, gar "zerstörerisch". Die Verantwortlichen der Tomorrow Focus AG sehen dies anders. Dass man einerseits mit Premium Advertising und andererseits mit Transaction wirtschaftlich erfolgreich sein könne, habe der Verlag mit den für Leser frei zugänglichen Angeboten von Focus Online längst bewiesen, argumentierte Tomorrow-Focus-Geschäftsführer Christian Eckert.
Bei den Verfechtern neuer Paywall-Strategien standen während der MEDIENTAGE MÜNCHEN unterschiedliche Geschäftsmodelle zur Diskussion. Manche Verlage entscheiden sich bewusst dafür, ihre Print-Abo-Modelle auf das digitale Geschäft zu übertragen. Kelly Leach, Managing Director beim Wall Street Journal, begründete dies mit der Art des Contents und der Bedeutung der Marke. Business-Manager, die das Wall Street Journal nicht gelesen hätten, könnten in der Wirtschaftsbranche kaum als Experten gelten. Viele Leser aber wollen keine komplette Online-Zeitung abonnieren, sondern interessieren sich stärker für einzelne Artikel im Internet. Macht es also Sinn, auch denjenigen eine ganze Kuh zu verkaufen, die eigentlich nur ein Glas Milch haben wollen? Unterschiedliche Nutzerverhalten würden von Verlagen oft zu wenig berücksichtigt, was den Erfolg beeinträchtige, warnten in München Kritiker. "Kenne Deinen Kunden", lautet der kategorische Imperativ der Print-Branche. Metered Modell oder besser doch Freemium? Auch hier scheiden sich die Geister an der Art des Geschäftsmodells für Paid Content. Das System der sogenannten Metered Paywall erlaubt pro Monat den Abruf einer begrenzten Zahl von Artikeln, bevor für weitere Texte gezahlt werden muss. Ausgenommen davon sind Print-Abonnenten sowie Nutzer, die per Link von anderen Seiten zu einem Artikel gelangen. Freemium hingegen ist ein Geschäftsmodell, bei dem kostenlos nur ein publizistisches Basisangebot zu haben ist. Für alles andere muss bezahlt werden.
Während sich Springers Zeitung Die Welt im Internet für eine Metered-Variante entschieden hat und damit bereits erste Erfolge vermelden kann, setzt bild.de auf ein Freemium-Modell. Trotz der Bezahlschranke kann bild.de so mit dem Großteil kostenloser Inhalte für eine möglichst hohe Reichweite sorgen und so auch weiterhin viel Geld mit Werbung verdienen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) werde voraussichtlich Anfang 2014 ein Bezahlmodell einführen, kündigte FAZ-Geschäftsführer Tobis M. Trevisan an.
Einigkeit herrscht in der Branche vor allem in einem Punkt: Bezahlschranken machen nur dann Sinn, wenn der Kunde einen Mehrwert dafür erhält und die jeweiligen Inhalte nicht anderswo im World Wide Web gratis erhalten kann. Die Exklusivität des Contents ist also Grundvoraussetzung für den Erfolg von Paid Content. Noch befindet sich die Branche im Experimentierstatus, aber die Perspektiven stimmen die meisten Verleger zumindest optimistisch. Medienanalyst Ken Doctor brachte beim Publishing-Gipfel ein weiteres Geschäftsmodell ins Spiel. Nach dem Konzept "All Access" müssten Zeitungshäuser ihren Lesern Inhalte anbieten, die uneingeschränkt über alle Kanäle und Endgeräte genutzt werden dürfen.
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