Zweite Berliner Erklärung der Stiftung Familienunternehmen
München (ots)
Die Politik will den Euro um jeden Preis retten. Und wenn der Preis Europa ist? Der Bundestag darf dem dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM nicht zustimmen.
Die Legende vom Euro-Profit: Eine Klarstellung
Sind die immensen Kosten und unabsehbaren Risiken der Preis, den deutsche Unternehmen für das zweifelhafte Projekt der Euro-Rettung zahlen müssen? Viele deutsche und europäische Politiker versuchen einen Mythos zu erschaffen, wonach Europa nur als dauerhafte Transfer-Union überlebensfähig sei.
Für die großen deutschen Familienunternehmen bildet Europa seit jeher ihren Heimatmarkt, und das nicht erst seit der Euro-Einführung. Den besten Beweis dafür liefert die amtliche Statistik. Der Anteil deutscher Exporte in den Euro-Raum ist seit 2001 von 45 auf 41 Prozent (2011) gesunken. Nicht die Einheits-Währung hat also den weltweiten Exporterfolg ermöglicht, sondern harte Arbeit mit international wettbewerbsfähigen Produkten, niedrigen Lohnstückkosten und hoher Produktivität.
Doch eines beunruhigt die Familienunternehmen besonders: Europa war einmal das eindrucksvollste Friedensprojekt auf dem Kontinent. Aber der Euro stiftet zunehmend Unfrieden. Die Tumulte in Griechenland und die Zeltstädte in Madrid zeigen, dass sich der Euro entgegen aller politischen Schönfärberei mehr und mehr zur treibenden Kraft für Streit, Neid und Hass in Europa entwickelt. Die Zwänge und Konsequenzen der gemeinsamen Währung beginnen die europäischen Völker dauerhaft zu spalten. Jetzt ist es an der Zeit, Lehren aus einer verfehlten Politik zu ziehen und das Projekt Europa zu retten.
Der ESM darf so nicht kommen
Eine Entscheidung von unvergleichbarer Tragweite fällt schon in wenigen Tagen. Dann soll der Bundestag dem dauerhaften Euro-Rettungsschirm zustimmen. Dafür wird zusätzlich zu den bereits bestehenden Verpflichtungen weiteres Kapital und Garantien in der Höhe von 700 Milliarden Euro eingesetzt. Viele Abgeordnete haben den Überblick über den Umfang der eingegangenen Verpflichtungen und Garantien verloren, sodass sie das hochkomplizierte Vertragswerk aus der Feder einer amerikanischen Großkanzlei gern vom Tisch haben wollen, koste es, was es wolle. Das darf nicht sein.
In der vorliegenden Form dürfen die Volksvertreter den dauerhaften Rettungsschirm ESM nicht passieren lassen. Hiergegen sprechen schon diejenigen Bestimmungen des Vertragsentwurfs, die der milliardenschweren Institution Immunität verleihen. Gerichten soll es verwehrt sein, auf Personal, auf Vermögen und auf Unterlagen des ESM zuzugreifen, es sei denn, Gremien des Rettungsschirms selbst würden einen solchen Zugriff ausdrücklich gestatten. In Luxemburg entsteht damit eine riesige Black Box, welche die Euro-Retter persönlich jeder Verantwortung entzieht, obwohl diese über enorme finanzielle Risiken zu entscheiden haben. Wer die Folgen seines Tuns nicht zu fürchten hat, der lässt schnell die erforderliche Sorgfalt außer Acht. Der Bundestag darf seine Instrumente zur Kontrolle nicht aus der Hand geben, zumal hier Größenordnungen in Höhe von 50 Prozent des Bundeshaushalts und darüber hinaus zur Disposition stehen. Warum sollte sich der deutsche Steuerzahler einem nicht mehr umkehrbaren Haftungsautomatismus unterwerfen?
Die Entscheidung über den Euro-Rettungsschirm darf keinesfalls schon jetzt fallen. Am 17. Juni wählt Griechenland. Erst dann wissen wir, ob die Griechen sich zu ihren Verpflichtungen gegenüber der Eurozone überhaupt bekennen.
Mit den Target2-Salden aus dem Verrechnungssystem der europäischen Notenbanken verhält es sich ähnlich: Die Europolitiker werfen den Kritikern zu Unrecht vor, sie sähen Gespenster. Wenn Griechenland insolvent wird oder den Euro aufgibt, dann drohen Deutschland aus diesem Verrechnungssystem Milliarden-Verluste. Hoffentlich wird in der Politik bald die Einsicht darüber reifen, dass etwaige Negativsalden mit vollwertigen Sicherheiten unterlegt werden müssen.
Das zerstörerische Prinzip der Eurobonds
Die wirtschaftsschwachen Länder sowie die auf eine Abwälzung der von ihr eingegangenen Risiken bedachte Finanzwelt rufen permanent nach Eurobonds. Gottlob ist Bundeskanzlerin Angela Merkel bisher hart geblieben. In diesem Bemühen werden wir sie voll unterstützen: keine Vergemeinschaftung der Schulden. Damit bewegt sie sich auf einer Linie mit der großen Mehrheit der deutschen Wähler. Denn mit den Eurobonds würde ein zerstörerisches Prinzip Einzug in die Europäische Union halten: Verzehrt wird von jedem nach seinem eigenen Gusto, für die Zeche haften jedoch alle. Aber auch das nur auf den ersten Blick. Denn am Ende würde das bedeuten: Deutschland ist der Hauptzahler, gibt es doch nur wenige Volkswirtschaften mit der erforderlichen Bonität in der EU.
Für ein dauerhaft stabiles und friedliches Europa
Eine wichtige Erkenntnis der Krise ist doch die, dass nicht jedes Mittel recht sein darf, um den Euro zu retten. In ihrer ersten Berliner Erklärung vom 27. Juni 2011 hatte die Stiftung Familienunternehmen zusammen mit einer großen Zahl führender Unternehmer dazu aufgerufen, innerhalb der EU jede Haftung für die Schulden eines anderen Mitgliedstaats abzulehnen, wie es der EU-Vertrag definitiv vorsieht. Die Regierungen Europas dürfen nicht jetzt, wo es ihnen gerade passt, den zentralen Rechtsgrundsatz - pacta sunt servanda - brechen.
Mögliche Alternativen bis hin zum Austritt einzelner Länder aus der Eurozone dürfen nicht länger tabuisiert werden. Notfalls ist ein geordneter Rückzug aus dem Euro für ein friedliches Miteinander besser als der wie ein dauerhafter Sprengsatz wirkende Verbleib einzelner Mitglieder. Eine bedingungslose Rettung des Euro, wie von den Südländern gefordert, brächte Europa an den Rand des Scheiterns. Das hieße: Man will den Euro um jeden Preis retten - und wenn der Preis Europa sein sollte.
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