Mittelbayerische Zeitung: Zur Festnahme von Ratko Mladic
Regensburg (ots)
Dass 20 Jahre nach Beginn des Krieges im früheren Jugoslawien nun Ratko Mladic gefangen wurde, ist nicht nur ein symbolischer Erfolg. Mehr als alle Haager Häftlinge vor ihm kann der Stratege des Massakers von Srebrenica vor Gericht für Aufklärung und für Versöhnung sorgen. Mladic war es, der im Juli 1995 die Massentötung befehligte. Das Verbrechen des bosnisch-serbischen Generalstabschefs ragt aus den vielen Untaten, die im Krieg begangen wurden, weit heraus. Das systematische Hinschlachten einer so großen Zahl von Menschen passt eher in den Zweiten Weltkrieg, zu den Massakern der Wehrmacht und der SS. Warum hat Mladic das getan? Die Männer von Srebrenica mussten sterben, als der Friede schon mit Händen zu greifen war. Der Plan einer Nachkriegsordnung lag schon auf dem Tisch. Slobodan Milosevic in Belgrad hatte ihm im Prinzip zugestimmt. Die serbischen Gebiete in Kroatien kamen unter die Kontrolle Zagrebs; die serbische Armee wehrte sich nicht dagegen. In Bosnien sollte die Hälfte des Territoriums an Bosniaken und Kroaten fallen; die ganzen drei Jahre des Krieges hindurch hatten die Serben dort 70 Prozent des Landes kontrolliert. Bosnien aber sollte als Staat erhalten bleiben. Mladic, Oberbefehlshaber der serbischen Truppen in Bosnien, trug den Kompromiss mit. Bis auf den letzten Punkt: Ein gemeinsames Bosnien sollte es nicht mehr geben. Tatsächlich hat der Fluch der Tat von Srebrenica die Atmosphäre im Nachkriegsland so nachhaltig vergiftet, dass Versöhnung noch immer in weiter Ferne liegt. Mladics Kalkül ist einstweilen aufgegangen. Jetzt besteht die Chance, es doch noch zu vereiteln. Jahrelang mussten die Haager Ankläger mit ihrem Urteil über die Ernsthaftigkeit, mit der die Polizei den General suchte, zugleich über die Chancen Serbiens auf den EU-Beitritt richten. Seit dem Amtsantritt des neuen Innenministers Ivica Dacic war an dieser Ernsthaftigkeit kaum noch ein Zweifel möglich. Nicht mangelnder Ernst hinderte ihn, Mladic eher zu fangen, sondern mangelnde Kontrolle. Polizei und Geheimdienst sind seit der Ära Milosevic korrumpiert. Aber jetzt wissen alle: Der Minister ist doch stärker. Der Weg nach Europa ist frei.
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