Mittelbayerische Zeitung: Gefährliche Intrigen
Regensburg (ots)
Auch wenn die Bilder der Gewalt das Gegenteil suggerieren: In der aktuellen Krise um die Grenzübergänge war es die Regierung des Kosovo, die auf Eskalation gesetzt hat, und nicht die serbische Seite. Gerade als eine Einigung über den Warenverkehr zwischen Serbien und dem Kosovo zum Greifen nahe schien, hat Pristina mit einer Handelsblockade gegen das Nachbarland plötzlich und ohne Not einen scharfen Ton in den Streit gebracht. Und mit dem Versuch, die Handelsblockade von der Spezialpolizei durchsetzen zu lassen, hat die Regierung des Kosovo gegen den ehernen Grundsatz verstoßen, dass Veränderungen in der Region nur noch auf dem Verhandlungswege angestrebt werden sollen. Die aggressiven Randalierer an den Grenzübergängen müssen einem deshalb nicht sympathisch sein. Es stimmt, wie Kosovo-Premier Hashim Thaci gesagt hat, dass die Situation des nördlichen Kosovo ein Ärgernis ist. Weil es international über den Status des Kosovo noch immer keine Klarheit gibt, können in dem serbisch dominierten Gebiet weder Pristina noch Belgrad die Kontrolle ausüben. Die Uno, die formal das Recht dazu hätte, schafft es nicht. Die Folge ist ein "schwarzes Loch": ein Zustand der Gesetzlosigkeit, verbunden mit lukrativem Warenschmuggel, der finstere Gestalten aus dem ganzen serbischen Sprachraum anzieht. Das Ärgernis besteht allerdings schon seit zwölf Jahren. Warum man dem Zustand ausgerechnet jetzt, mitten in einer Phase der Entspannung, mit Gewalt ein Ende setzen muss, kann und will Thaci nicht erklären. Der wahre Grund ist ein taktischer und deutet darauf, dass das unheilvolle Spiel des Tauziehens, bei dem jeder mal auf Kosten des anderen ein bisschen Boden macht und nie einer gewinnt, auf dem Balkan offenbar immer noch weitergespielt wird. Belgrad befindet sich gerade in einer Position der taktischen Schwäche: Die gemäßigte Regierung muss dringend einen Erfolg auf dem Weg nach Europa vorweisen. Verdirbt sie es sich mit den Westmächten, ist es mit der Annäherung an die EU schnell wieder vorbei. Das weiß man in Pristina. Nicht von ungefähr hat Thaci über die "Gewalt in Zeiten der EU-Annäherung" Krokodilstränen vergossen. EU und USA haben sich von der kosovarischen Polizeiaktion, distanziert. Aber sie haben es lau und halbherzig getan, und es müsste niemanden wundern, wenn da hinter der schwachen roten Ampel nicht doch irgendwo ein grünes Licht aufgeblitzt wäre. Die Kosovo-Regierung ist politisch, wirtschaftlich und diplomatisch vollständig von der EU und den USA abhängig; sie würde den Teufel tun, gegen deren Willen etwas zu unternehmen. Amerikaner und Europäer drängen zu Recht darauf, dass das Problem des Nordkosovo irgendwie gelöst wird. Ein Gebietstausch, wie Belgrad ihn anstrebt, wäre gefährlich, weil er auch das Thema Bosnien wieder auf die Tagesordnung brächte. Da kann es dem Westen - und im Grunde auch Belgrad - nur recht sein, wenn das Thema Nordkosovo kurz und relativ schmerzlos gelöst würde. Aber das Kalkül ist gefährlich. Für eine solche Lösung mit halb zugekniffenem Auge gibt es ein historisches Beispiel: die sogenannte Befreiung der serbisch gehaltenen Krajina durch die kroatische Armee vor 16 Jahren. Damals hielt man es in Washington für schlau, die Kroaten zu einer Militäraktion zu ermuntern, die man vor der Weltöffentlichkeit offiziell nicht gutheißen konnte. Es klappte, aber mit einem hohen Preis: Kroatien nützte die Gelegenheit, alle im Gebiet lebenden Serben zu vertreiben. Wer im zwischenstaatlichen Verkehr trickst, ruft Kräfte, die ihr eigenes Spiel spielen. Schon die Randalierer an den Grenzübergängen werden nicht, wie Thaci jetzt glauben machen will, von Belgrad kontrolliert und genauso wenig kann in Washington oder Brüssel jemand garantieren, dass die kosovarische Spezialpolizei an Absprachen hält, an welche man die Regierung später öffentlich nicht erinnern kann. Das Dumme an klugen Intrigen ist bekanntlich, dass sie meist anders ausgehen als geplant.
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