Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Stuttgart 21
Regensburg (ots)
Ein gut gemeinter Ratschlag von neutraler Seite kann in einer festgefahrenen Situation wie ein Befreiungsschlag wirken. Im Fall Stuttgart 21 ist jetzt aber genau das Gegenteil passiert: Aus dem Vermittlungsversuch von Heiner Geißler wird ein Bumerang, der auch noch das restliche Porzellan zerschlägt. Die Idee des alten Polit-Hasen einer Sowohl-als-auch-Lösung ist nur insofern ein Coup, weil sie Gegner und Befürworter des Projekts genauso überraschte wie ein aus dem Hut gezaubertes Kaninchen. Denn niemand hatte damit gerechnet, dass der Schlichter mit einem Modell aufwartet, das schon vor vielen Jahren verworfen wurde. So gut gemeint Geißlers Motto "Frieden in Stuttgart" auch sein mag: Die prompte Antwort der Bahn auf seinen Vorstoß ist ziemlich eindeutig. Mit der Vergabe millionenschwerer Aufträge werden Fakten geschaffen. Das klare Signal an die Öffentlichkeit lautet: Der unterirdische Bahnhof wird auf jeden Fall gebaut. Und die Botschaft an den Schlichter heißt: Wir verbitten uns unerbetene Ratschläge von außen. Das ist eine saftige Watschn für Geißler, die ihn in seiner Rolle als Vermittler schwer beschädigt. Noch verfahrener wird die Situation, weil sich die Gegner von Stuttgart 21 jetzt auf den neuen Schlichterspruch berufen und gleichzeitig der Bahn vorwerfen, sich rücksichtlos über den Kompromissvorschlag hinwegzusetzen. In der sowieso schon hitzigen Debatte gießt Geißler damit ungewollt Öl ins Feuer. Gut gemeint ist eben noch lange nicht gut gemacht.
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