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Mittelbayerische Zeitung: Zur Schuldenkrise: Die Euro-Feuerwehr versagt

Regensburg (ots)

Wie dramatisch es um das Weltfinanzsystem wirklich steht, lässt sich weniger am Krisenmanagement von Barack Obama, Angela Merkel und Nicolas Sarkozy ablesen als an der Wortwahl von Börsenanalysten, wenn sie den Crash auf Raten kommentieren. Eine "Handelswoche des Grauens" hätten die Aktienmärkte hinter sich, erklärte ein Frankfurter Experte nach den dramatischen Kursverlusten. Alle hektischen Versuche der Industriestaaten, die Märkte zu beruhigen, wirken bestenfalls wie Placebos, wie sich an den Börsenkursen ablesen lässt. Nach dem rasanten Absturz, bei dem wieder einmal Billionenwerte vernichtet wurden, erleben wir eine wilde Achterbahnfahrt mit ungewissem Ausgang. Jeder fragt sich, ob jetzt die halbe Welt bankrott geht. Denn das Außergewöhnliche an der aktuellen Krise ist, dass wir es mit einem doppelten Flächenbrand zu tun haben, der in den USA und in Europa gleichzeitig wütet. Und was unternehmen die wichtigsten Krisenmanager? Obama lässt sich im Kampf gegen den Staatsbankrott von den Republikanern über den Tisch ziehen. Das war eine Einladung an die Ratingagenturen, Amerika die Top-Bonität zu entziehen. Und was tun die Oberhäuptlinge der Eurozone, die urlaubende Bundeskanzlerin und der wahlkämpfende französischen Präsident? Sie telefonieren miteinander und lassen dann verbreiten, dass die Beschlüsse des EU-Gipfels vom 21. Juli schon helfen werden, wenn sie endlich umgesetzt sind. Das ist so, als ob zwei Feuerwehrkommandanten vom Gardasee aus einen Großbrand in der Regensburger Altstadt bekämpfen, indem sie per Handy auf die Schublade hinweisen, in der ein Einsatzplan steckt. Wie die Reaktion an den Börsen zeigt, interpretiert die Finanzwelt das politische Krisenmanagement ähnlich: Überfordert, immer mindestens einen Schritt der Realität hinterher und letztlich hilflos. Der politische Vertrauensverlust wiegt schon schwer genug. Doch nun droht auch noch der Europäischen Zentralbank großer Schaden. Indem die EZB italienische und spanische Staatsanleihen kauft, um die Börsenpanik zu beenden, verspritzt sie Löschwasser, das ihr gar nicht gehört. Denn letztlich haften alle Steuerzahler für die Intervention. Die EZB setzt damit außerdem ihren bisherigen Nimbus als unabhängige Hüterin einer stabilen Währung aufs Spiel. Auch das nagt am Vertrauen. Angela Merkel muss an ihrem Urlaubsdomizil bittere Erfahrungen machen. Alle ihr zur Verfügung stehenden politischen Instrumente haben keinen wirklichen Einfluss auf die Finanzmärkte. Alle müssen jetzt den Preis zahlen für das hemmungslose Schuldenmachen in der Vergangenheit - in Europa genauso wie in Amerika. Politisch verheerend für die Bundesregierung ist der öffentliche Eindruck, dass vor allem die deutschen Steuerzahler für die Verschwendungssucht und das vermeintlich süße Leben der Griechen und bald auch der Italiener, Spanier und Portugiesen zur Kasse gebeten werden sollen. Schon jetzt wirft der Bundestagswahlkampf seine Schatten voraus. Die Eurokrise wird ein zentrales Thema werden - wohl vor der Energiewende und der Bildungspolitik. Und im Gegensatz zu früher droht Merkel diesmal gewaltiger Ärger mit den Parteifreunden. Bei der Griechenland-Rettung fühlten sich viele Abgeordnete übergangen - zu Recht - und fordern deshalb einen Sonderparteitag. Letztlich hat die Kanzlerin das Parlament zum Abnickverein gemacht - ebenso wie schon beim Atomausstieg. Wenn es im Kampf gegen die Schuldenkrise auch in den nächsten Tagen nur Misserfolge zu vermelden gibt, wird die CDU richtig aufmucken. Bei der Abstimmung im Bundestag über das Griechenland-Rettungspaket könnte Merkel dann schlimmstenfalls ohne eigene Mehrheit dastehen, was wieder verheerend für das Vertrauen in den Euro wäre. Doch viel Zeit bleibt den Regierungen nicht mehr, die Brände an den Finanzmärkten gemeinsam und entschlossen zu bekämpfen. Wenn die Krisenmanager erneut versagen, wächst sich der Börsencrash zu einer Abwärtsspirale aus, die die Weltwirtschaft mit sich reißt.

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