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Mittelbayerische Zeitung: Neue Klarheit in der Balkan-Politik

Regensburg (ots)

Staatsbesuche mögen ein bisschen langweilig sein. Wichtig sind sie zuweilen trotzdem. Wenn Angela Merkel in diesen Tagen Zagreb und Belgrad besucht, ist das jedenfalls mehr wert als hundert Bekundungen, Verhandlungsschritte und Fortschrittsberichte. Glaubt man der für Beitrittsfragen zuständigen EU-Kommission, ist auf dem Balkan immer alles "auf gutem Wege". Das muss niemanden wundern, wenn man die eigenartige Arbeitsteilung zwischen den Regierungen der Mitgliedsländer und der Brüsseler Zentrale kennt. Vor acht Jahren, lange vor der Schuldenkrise, haben die europäischen Staats- und Regierungschefs beschlossen, ganz Südosteuropa in die Gemeinschaft aufzunehmen. Seither geht das Verfahren seinen Gang, jeweils beglaubigt vom zuständigen Erweiterungskommissar. Mit steifer Behördenfeierlichkeit wird jeder Entwicklungsschritt gepriesen: dass ein Land sein Vorbeitrittsabkommen unterzeichnet hat und dass es ratifiziert wurde, dass es den offiziellen Kandidatenstatus erreicht hat. Sogar die Übersendung des Fragebogens an die Regierung eines beitrittswilligen Landes wird jedes Mal als "Meilenstein" gefeiert. Wer lange im Kommunismus gelebt hat, hat einen Instinkt dafür, dass es nicht auf die förmlichen Bekundungen, sondern auf die Prozesse im Hintergrund ankommt. So ist es tatsächlich. Mazedonien zum Beispiel ist schon seit sechs Jahren offiziell Beitrittskandidat. Nur hat sich noch immer kein Termin gefunden, endlich die Verhandlungen aufzunehmen. Noch immer liegt das Land im Streit mit dem Nachbarn Griechenland um seinen Namen. Und Athen findet mit seiner Blockade Mazedoniens Unterstützung bei den mächtigeren EU-Staaten. So regieren auf dem Balkan verständlicherweise bange Befürchtungen: Will man uns wirklich? Und um welchen Preis? Müssen wir nur die niedergeschriebenen Bedingungen erfüllen oder uns auch sonst erkenntlich zeigen - zum Beispiel durch den Verkauf von Staatsfirmen an große Player aus der EU? Das wirklich Wichtige steht nicht einmal im Kleingedruckten. Deutschland wird überall auf dem Balkan als der wichtigste Faktor wahrgenommen. Besuche der wirklich Mächtigen sind deshalb so wichtig, weil sie Klarheit schaffen. Dass Kroatien, Merkels erste Station, bald dazugehören wird, steht schon außer Frage; hier ist die Kanzlerinnenvisite nicht viel mehr als eine Feierstunde. Deutschland lässt sich preisen und erinnert an seine Rolle als Anwalt Kroatiens - nicht ohne bei der Gelegenheit einen Lohn in Form politischer und wirtschaftlicher Gewogenheit einzufordern. Serbien dagegen muss glaubhaft versichert werden, dass Berlin kein doppeltes Spiel spielt und nicht als heimliche Vorbedingung für den Beitritt die Anerkennung des Kosovo verlangt. Auch feinere Signale kommen an. Nicht umsonst etwa hat Merkel bei ihrer Balkan-Tour Skopje und Sarajevo ausgelassen. Es geht voran, ihr könnt es schaffen: Das ist die Botschaft, die Merkel dem Balkan ausrichtet, und sie ist offenkundig ernst gemeint. Die politischen Bedingungen, die Merkel den Ländern auferlegt, sind vernünftig und erfüllbar. Damit unterscheidet ihr Besuch sich wohltuend von der hektischen Reisediplomatie der diversen Sonderbeauftragten und Außenminister, die sich von ihrer bloßen Anwesenheit immer eine diffuse "Signalwirkung" erhoffen. Wenn Berlin bei der Gelegenheit an seine Macht erinnert, ist das nur der verdiente Lohn für die neue Klarheit in der Balkanpolitik. Mit ihrer Botschaft dementiert die Kanzlerin auch Aussage aus dem letzten Wahlkampf, dass es nach dem Kroatien-Beitritt erst einmal eine "längere Pause" geben müsse. Der Bevölkerung in Deutschland und Westeuropa die fälligen Erweiterungsschritte plausibel zu machen hat auch Merkel bisher versäumt. Dahinter steckt nicht einfach politische Feigheit. Den Südosteuropäern wird die EU-Mitgliedschaft aus gutem Grund als großzügiges Angebot verkauft, für das sie sich nach der Decke strecken müssen.

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