Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel der Mittelbayerischen Zeitung Regensburg zu Westerwelle und der FDP
Regensburg (ots)
Die Alternative fehlt
Guido Westerwelle ist gescheitert. Doch wer soll das Amt des Außenministers übernehmen?
Wer soll es denn dann machen? Dass die FDP auf diese Frage zur Zeit keine Antwort weiß, rettet Guido Westerwelle vorerst das Amt. Der deutsche Außenminister hat sich mit seiner Selbstgerechtigkeit in der Libyen-Debatte selbst ins Abseits gestellt, aber die Liberalen können keine vorzeigbare Alternative aufbieten. Sie sind personell ausgezehrt. Wer kennt schon Werner Hoyer, den amtierenden Staatssekretär im Außenministerium? Will man diesen Nobody auf den Stuhl von Hans-Dietrich Genscher setzen? Auch in der übrigen FDP-Fraktion gibt es keinen außenpolitischen Experten von Rang und Namen. Deutschland braucht aber einen Außenminister, der gestützt auf seine innenpolitische Reputation unser Land im Ausland glaubwürdig vertreten kann. Nun rächt es sich, dass die Liberalen auf ihrem Parteitag im Mai Westerwelle nur als Parteivorsitzenden abgelöst haben. Damals hätte der neue Parteichef Philipp Rösler reinen Tisch machen können und müssen. Er zog im Frühjahr die sanfte Variante vor und wechselte vom Gesundheits- ins Wirtschaftsministerium. Nur ein gutes viertel Jahr später kann er nicht schon wieder ein neues Ressort übernehmen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel scheut davor zurück, jetzt ihr Kabinett zu verändern - selbst wenn die FDP einen Ressorttausch anbieten würde. Wenn auch nur der Anschein entsteht, diese Bundesregierung wankt, könnte das ganze Gebäude leicht zusammenstürzen. Die Stimmung in der christlich-liberalen Koalition ist bereits explosiv, die Schuldenkrise, der Streit um den Euro und Milliardenhilfspakete verunsichern alle Regierungspartner. Eine personelle Hängepartie kommt daher ziemlich ungelegen. Westerwelle erhält daher wieder eine Bewährungschance - die wievielte eigentlich? Dabei sollte man fairerweise einräumen, dass Westerwelles Grundentscheidung, sich nicht am Libyen-Einsatz der Nato zu beteiligen, in Deutschland ziemlich populär war und noch ist. Auch wenn manche das gerne verdrängen: Führende SPD- und Grünen-Politiker waren ebenfalls dagegen - nur redet darüber heute kaum noch jemand. Stattdessen richtet sich die Kritik auf Westerwelle. Damit lenkt man auch vom eigenen Versagen ab. Das gilt auch für die FDP. Rösler hat seinen Liberalen bei der Wahl zum Parteichef versprochen, nun werde er bald "liefern". Geworden ist daraus nichts und deshalb dümpeln die Liberalen in Umfragen weiter bei vier oder maximal fünf Prozent dahin. Bei den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin droht ein Fiasko, die Liberalen könnten aus beiden Parlamenten fliegen. Da braucht die liberale Boygroup um Rösler, Generalsekretär Christian Lindner und Gesundheitsminister Daniel Bahr einen Sündenbock - und der heißt Westerwelle. Es bleibt die Frage, wie lange Westerwelle sich noch demütigen lassen will. Sein Parteichef und die Kanzlerin korrigierten ihn öffentlich, für seine falsche Einschätzung der Rolle der Nato im Libyen-Konflikt hat er sich mittlerweile mehrmals entschuldigt - und trotzdem werden immer noch Kübel von Hohn und Spott über ihm ausgegossen. Es ist fast schon tragisch, wie schnell Westerwelle abgestürzt ist. Bei der Bundestagswahl 2009 erzielte die FDP unter seiner Führung bisher nie erreichte 14,9 Prozent - nur zwei Jahre später gilt er vielen Liberalen als Buhmann. Wenn Westerwelle jetzt hinschmeißt, wäre das nur zu verständlich. Rösler, die gesamte FDP-Parteiführung und die Kanzlerin wären aber noch mehr blamiert, da sie nicht die Kraft haben, einen auf lange Sicht notwendigen Wechsel selbst zügig zu gestalten.
von Gustav Norgall
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