Mittelbayerische Zeitung: Seehofers große Schlacht
Regensburg (ots)
Der Landtagswahlkampf 2013 ist eröffnet, und zwar sehr viel früher als von CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer geplant. Erst im zweiten Halbjahr 2012 wollten die CSU ihren Spitzenkandidaten offiziell festlegen und dann - so das hübsche Wunschszenario - getragen vom Schwung erfolgreicher und harmonischer schwarz-gelber Regierungsarbeit der Vormonate in die große und alles entscheidende Schlacht ziehen. Denn ein langer Wahlkampf verschleißt die Kräfte, lähmt das Tagesgeschäft und ermüdet die Wähler. Dieser Plan ist nun perdu. Der Münchner OB Christian Ude diktierte mit seinem überraschenden Griff nach der SPD-Spitzenkandidatur Anfang August die neue Agenda - und der CSU blieb nach anfänglichem Schweigen nichts anderes übrig, als ebenfalls in die Wahlkampfarena zu steigen, um das Feld nicht Ude allein zu überlassen. Der in vielen politischen Scharmützeln gestählte Seehofer übermittelte Ude jetzt via Medien seine Kampfansage: Er wolle bis 2018 an der Spitze Bayerns stehen. Die Botschaft ist klar. Dem Münchner OB ist mit seinem Coup zwar der erste Überraschungstreffer geglückt, die Bastion CSU aber längst nicht gestürmt. Gut gebrüllt. Doch so einfach wird das nicht. In der aktuellen Forsa-Umfrage liegt die CSU mit 41 Prozent weit von der absoluten Mehrheit entfernt und der Koalitionspartner FDP ist auf die Tiefmarke von nur mehr drei Prozent abgerutscht. SPD, Grüne und Freie Wähler könnten mit insgesamt 47 Prozent in Bayern die Zeitenwende einläuten. Zwar hält sich Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger alle Optionen offen und auch Bayerns SPD-Chef Florian Pronold schließt ein schwarz-rotes Bündnis nicht kategorisch aus. Doch wärmstens empfohlen hat sich die CSU bisher bei beiden nicht. Aiwanger und Pronold konnten stattdessen seit 2008 aus nächster Nähe am Beispiel FDP beobachten, wie kernig die CSU mit vermeintlich Verbündeten umspringt. Sie werden sich gründlichst überlegen, ob sie zu den Schwarzen ins Boot steigen. Seehofer könnte also tatsächlich als derjenige bayerische Ministerpräsident in die Geschichte eingehen, der die CSU in die Opposition geführt hat. Er reagiert mit demonstrativer Gelassenheit und lässt sich dieser Tage auch nicht von den schlechten Umfragewerten aus der Ruhe bringen. Sie sind für ihn nur eine Momentaufnahme. Anfang des Jahres lag die CSU noch bei komfortablen 46 Prozent. Warum sollte sich das Blatt nicht wieder wenden? Tatsächlich ist das Jahr 2011 geradezu ein Paradebeispiel für die Kurzlebigkeit des politischen Alltagsgeschäfts. Wer hätte Anfang des Jahres geahnt, dass der Stern von Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg so rasch erlischt und er in den USA eine neue vorläufige Heimat finden wird? Wer hätte noch im Juli gedacht, dass der Münchner OB Ude der schwächelnden Landes-SPD zur Seite springt und ihr zu neuer Kraft verhilft? Diese Erfahrung lehrt: Auch die Wahlkampfjahre 2012 und 2013 werden für Überraschungen gut sein. Sie bieten sowieso viel politischen Zündstoff. Angefangen von der geplanten dritten Startbahn für den München Flughafen bis zur Entscheidung über den Donau-Ausbau zwischen Straubing und Vilshofen oder den Nachbeben der Bundeswehrreform. Das könnte die CSU viele Wählerstimmen kosten. Der größte anzunehmende Risiko für die CSU aber ist und bleibt die CSU. Umweltminister Markus Söder hat das klug erkannt und nach dem Ude-Coup Geschlossenheit in den eigenen Reihen eingefordert. Ob der Mahnruf wirkt, wird sich zeigen. Zweifel sind angezeigt. Nicht nur bei den Münchner Abgeordneten stehen dank des Ude-Effekts Mandate auf dem Spiel. Doch Grabenkämpfe vor der großen Schlacht kann sich die CSU nicht leisten. Dieses gute Argument hat die Parteifreunde bisher allerdings in den seltensten Fällen befriedet.
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