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Mittelbayerische Zeitung: Eine Frage des Vertrauens Leitartikel zum Euro-Rettungssschirm

Regensburg (ots)

Die Parallele drängt sich auf, gerade angesichts des bevorstehenden Jahrestags der Anschläge vom 11. September 2001: So wie vor knapp zehn Jahren ihr Vorgänger Gerhard Schröder muss Bundeskanzlerin Angela Merkel jetzt die Abweichler aus den eigenen Reihen unbedingt auf Kurs bringen. Die Situation ist ähnlich, doch die Methoden werden sich am Ende deutlich unterscheiden. Im Angesicht des Terrors hatte Schröder den USA damals spontan die uneingeschränkte Solidarität Deutschlands zugesagt. Als der Bündnispartner schließlich für die Jagd auf Osama bin Laden in Afghanistan zu den Waffen rief, stand der Kanzler im Wort - konnte sich aber innerhalb der rot-grünen Koalition der Mehrheit für den Bundeswehr-Einsatz nicht sicher sein. Um sich nicht die Blöße zu geben, seinen internationalen Verpflichtungen nur noch dank der Gnade der schwarz-gelben Opposition nachkommen zu können, verknüpfte er die Abstimmung mit der Vertrauensfrage: Hätte der Bundestag den Afghanistan-Einsatz abgelehnt, hätte er damit praktisch seine eigene Auflösung beschlossen. So zwang Schröder die Abweichler in den eigenen Reihen auf Kurs. Auch Merkel hat vollmundig internationale Zusagen getroffen, als sie sich gemeinsam mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy vor der Weltpresse als Euro-Retterin präsentierte. Auch sie kann sich nicht sicher sein, ob ihre eigene Koalition ihren Kurs mitgeht. Und auch in ihrem Fall wartet die Opposition nur darauf, das Gesetz großzügig abzunicken - um hinterher genüsslich die Tatsache auszuschlachten, dass die Kanzlerin eine Entscheidung von solcher Tragweite nicht mehr mit einer eigenen Mehrheit durchsetzen konnte. Ein solches Szenario ist für Merkel heute genauso undenkbar wie für Schröder damals. Sie wäre damit politisch unten durch - und zwar nicht nur innerhalb Deutschlands: Ihr in den vergangenen Monaten sorgsam aufpoliertes Bild als mächtigste Frau der Welt würde dadurch einen nicht mehr zu reparierenden Sprung bekommen. Und das in einem Moment, in dem die Kanzlerin angesichts der eher unrühmlichen Rolle des Außenministers die einzige deutsche Identifikationsfigur mit internationaler Tragweite ist. Sollte es Merkel nicht gelingen, sich partei- und koalitionsintern durchzusetzen, hätte auch Deutschland als Vertragspartner in Europa und der Welt viel Vertrauen verspielt. Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - wird Angela Merkel die schwarz-gelbe Zustimmung zum Euro-Rettungsschirm wohl kaum in Schröder-Manier mit der Brechstange durchsetzen. Sie ist weit weniger emotional als ihr Vorgänger, taktiert stattdessen kühl und geschickt hinter den Kulissen - zum Beispiel wenn es darum geht, allzu machthungrige Politiker-Kollegen aus den eigenen Reihen auf Abstand zu halten. Es ist zu erwarten, dass es ihr auch an diesem vielleicht entscheidenden Punkt ihrer Amtszeit gelingen wird, genügend abtrünnige Abgeordnete auf Linie zu bringen - von denen einige die Probeabstimmung wohl ohnehin nur als öffentlichkeitswirksame Chance genutzt haben, um ein wenig den Aufstand zu proben. Denn eines ist auch den Abweichlern klar: Sollte Merkel sich doch noch versucht sehen, die Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm mit der Vertrauensfrage zu verknüpfen, dann stünde nicht nur der Job der Kanzlerin auf dem Spiel: Legt man die aktuellen Umfrage-Werte zugrunde, würden bei vorgezogenen Neuwahlen etwa alle FDP-Abgeordneten ihre Mandate verlieren. Diese Aussicht wird am Ende ausreichen, um auch in den sauersten Euro-Apfel zu beißen.

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