Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel/Kommentar zu Griechenland/Finanzkrise
Regensburg (ots)
Plan B für Griechenland
Athen steckt im Schuldensumpf fest. Deshalb ist es gut, dass die Politik ein neues Krisenszenario entwirft.
Mit Olivenöl, Schafskäse, Tintenfisch und griechischem Wein lässt sich zwar eine köstliche Mahlzeit zubereiten. Doch selbst ein Superheld würde kläglich daran scheitern, mit dem Verkauf dieser Produkte, gewürzt mit etwas Tourismus, einen Staatsbankrott abzuwenden - geschweige denn, ein Wirtschaftswunder einzuläuten. Und genau dieses Wunder bräuchten die klammen Hellenen, um irgendwann aus eigener Kraft vom Finanztropf der anderen EU-Staaten loszukommen. Diese bittere Erkenntnis ist nun auch in den Büroetagen angekommen, wo bislang so eifrig der Euro-Rettungsschirm zusammengenäht wurde. Dort nagt ganz offensichtlich der Zweifel, ob die Griechen ihren Augiasstall ausmisten können. Nur so lässt es sich nämlich interpretieren, dass Wirtschaftsminister Philipp Rösler inzwischen eine geordnete Insolvenz von Schuldenländern durchrechnet. Und auch das Zögern der Euro-Finanzminister, die nächste Milliarden-Tranche nach Athen zu überweisen, wird von den Finanzmärkten wie ein Orakel beäugt. Sie könnten das so deuten, dass man Griechenland demnächst vielleicht doch fallen lässt. Das Schuldendrama bekommt damit eine neue Qualität: Über das, was sich die EU-Regierungen bislang nicht auszusprechen trauten, wird im stillen Kämmerlein zumindest schon einmal nachgedacht. Ein Plan B in der Schublade wäre an sich nichts Verwerfliches. Falls die Erkenntnis reifen sollte, dass man einen Bankrott Griechenlands nicht um jeden Preis verhindern will, ist ein Ablaufszenario für den Krisenfall auf jeden Fall besser als keines. Dennoch wirkt der Paradigmenwechsel zunächst erstaunlich. Bis vor kurzem warnten die Euro-Retter fast unisono vor dem Untergang des Abendlands, falls man die Zahlungen an Athen einstellt. Und das Szenario klang auch plausibel: Nach der Griechen-Pleite würden sich die Spekulanten sofort Portugal, Spanien und Italien vornehmen. Das Spiel ginge mit noch viel höheren Einsätzen von vorne los und irgendwann würden die Helfer selbst einer nach dem anderen überfordert zusammenbrechen. Falls diese Argumentation allerdings jetzt nicht mehr als Weisheit letzter Schluss gilt, steckt dahinter die Hoffnung, dass eine geordnete Insolvenz Griechenlands den Euroraum wohl nicht so schnell zerreißen würde - geschweige denn die politische Union. Ein harter Schuldenschnitt, wie ihn Ex-Finanzminister Peer Steinbrück vorschlägt - flankiert vom Euro-Rettungsschirm - wäre auch eine Kampfansage an die Finanzmärkte: Spekulationen gegen andere schwache Euro-Länder treten wir entschieden entgegen. Die Kassenhüter der EU dürfen dabei aber nicht der Versuchung erliegen, die Büchse der Pandora zu öffnen. Gemeint sind finanztechnische Hebel, mit denen man zusätzliches Geld für den Rettungsfonds beschaffen könnte. Geld, das von den Parlamenten gar nicht genehmigt wurde und das die Risiken für den Bundeshaushalt in Höhen katapultieren würde, die niemand mehr beherrschen kann. Dann bitte lieber ein Ende mit Schrecken, also eine geordnete Insolvenz Athens mit einem teilweisen Schuldenerlass. Vor allem deutsche und französische Finanzinstitute müssten dann Milliarden in den Wind schreiben. Deshalb überrascht der Sirenengesang der Bankmanager nicht. Doch Kanzlerin Angela Merkel sollte die Ohren vor den Wehklagen verschließen, damit nicht wieder die Steuerzahler allein die Dummen sind. Und damit nicht diejenigen, die sich selbst von den Staaten retten ließen, wieder fein raus sind. Europa sollte die Chance zum entscheidenden Befreiungsschlag in der Euro-Krise nutzen - und damit gleichzeitig ein Signal an die Griechen geben. Entweder man nimmt ihnen die Last von den Schultern, die sie ansonsten erdrücken wird. Oder man sieht zu, wie sie an ihren Schulden ersticken. Dann würde aus den deutschen Bürgschaften aber auf einen Schlag reales Geld, das Arbeitnehmer und Unternehmen hierzulande erst noch verdienen müssen.
von Stefan Stark, MZ
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