Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Erneuerbare Energien
Regensburg (ots)
Rund ein halbes Jahr nach dem spektakulären Atomausstieg der Bundesregierung ist es in dieser Sache mittlerweile ruhig geworden. Zu dominant ist die Schuldenkrise, als dass die von Finanzmärkten getriebene Staatsführung Zeit für die Frage hätte, was denn im Schatten der Krise zuhause auf der Spielwiese der Öko-Energien so emporwächst. Dabei wäre die Antwort erfreulicher gewesen als die Ergebnisse aller jüngster EU-Gipfel zusammen: Hier geht nämlich etwas voran. Im Zusammenspiel mit einem gesellschaftlichen und zunehmend auch wirtschaftlichen Konsens entfaltet das Erneuerbare-Energien-Gesetz seine Wirkung: Krise hin, Krise her werden ökologisch verträglichere Kraftwerkskapazitäten geschaffen. Die deutsche Öko-Energie-Branche befindet sich weiter im Aufwind, schafft Arbeitsplätze, senkt Abhängigkeiten und Umweltbelastungen. Mit etwas Verzögerung konnte auch die deutsche Industrie ihren Widerstand gegen die politische Kehrtwende zurückfahren, so viele Ausnahmen wurden ihr zugestanden, ob bei den Emissionszertifikaten, der EEG-Umlage oder der Ökosteuer. Wird also wenigstens hier alles gut? Nicht unbedingt. Denn eins wird bei Expertentreffen wie dem Neumarkter Windkraftforum auch Laien sofort klar: Bei der Energiewende geht es nur mehr am Rande um die Erzeugung regenerativer Energie. Zu viel Power bieten Sonne, Wind und Wasser, als dass sich die Experten noch groß um deren Gewinnung sorgen müssten. Das ist Sache der Praktiker, die mit immer effektiveren Anlagen aus Naturkraft Kraftstrom machen, oft schon heute mehr als wir nutzen können. Das Energie-Thema der Zukunft sind die massiven Schwankungen der Quellen. Zwar hat Mutter Natur genug Power für alle übrig, aber leider hält sie sich nicht an Schichtpläne, Taktzeiten und die Lebens- und Freizeitgewohnheiten einer modernen Gesellschaft. Die konkrete Frage lautet, wohin mit all der Überproduktion an Wind- und Sonnen-Energie, die im Zuge des technischen Fortschritts - bedauerlicherweise - sicher zunehmen wird? Und wer sorgt drinnen für Wärme, wenn draußen einmal Flaute herrscht? Über die Antworten streiten sich die Gelehrten. Die einen wollen den Strom nach Norwegen schicken, wo ihn riesige Pumpspeicherwerke in Wasserkraft verwandeln, die ihn bei Bedarf wieder an uns zurückschickt. Andere empfehlen, lieber zuhause nach Lösungen zu suchen, etwa einer Super-Batterie, oder "grünes Erdgas", das aus Strom, Wasser und Kohlendioxid gewonnen wird. Woher der Strom der Zukunft fließen wird, ist heute noch offen. Es gibt Wahrscheinlichkeiten, aber sämtliche Ansätze bergen enorme Probleme. Vieles existiert bisher nur in den Köpfen von Experten, bestenfalls im Versuchsstadium. Sicher ist dagegen schon heute: Deutschlands Süden ist in Europa prädestiniert für Photovoltaik, auch seine Potenziale an Windenergie sind beträchtlich. Berge, Seen und Landwirtschaft bilden ein natürliches Fundament, auf dem wir die Kräfte der Natur auch naturverträglich für uns nutzen können. Kurz: Bayern ist einer der besten Plätze für erneuerbare Energie. Das ist für Experten nichts Neues, es wurde von Laien bislang nur nicht so wahrgenommen. Was nicht heißt, dass es nun keinen Grund zur Eile gibt. Energiemärkte sind genauso nervös wie die Finanzmärkte. Entsprechend muss nun nach der Energie-Gewinnung auch Energiesparen sowie die Strom-Übertragung und -Speicherung gefördert werden. Wer hier bremst, dem sei der Seitenblick zur Schuldenkrise empfohlen: Trägheit kann sich schnell rächen.
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