Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Bayern/Klausuren/FDP von Christine Schröpf
Regensburg (ots)
Umfrage- und Kompetenzwerte im Keller - und dann noch der schwer abzustreifende Igitt-Faktor, der der FDP wegen einiger haarsträubender Fehler der Bundespartei anklebt. Mit Westerwelle und Rösler werden auch die bayerischen Liberalen Eins-zu-Eins in einen Topf geworfen und für schlecht befunden. Diesen Trend kann die respektierte "Mrs. Bürgerrechte" und Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nicht umkehren. Die FDP braucht's nicht mehr, das Geschäft können andere Parteien miterledigen, lautet das vernichtende Urteil, über das viele Ex-Wähler und Bürger gar nicht mehr diskutieren wollen. Die Liberalen sind für sie abgehakt. Dabei steckt in der totgesagten FDP sehr viel Überlebenswille - gerade in Bayern. Spitzenkandidat Martin Zeil weiß ziemlich kampfeswillige Abgeordnete aus Landtag, Bundestag und Europaparlament hinter sich. Sie stemmen sich mit Vehemenz dagegen, dass die Liberalen bei den Wahlen im Herbst 2013 in Berlin und München von den parlamentarischen Bühnen verschwinden. Abspaltungstendenzen gegenüber Berlin waren bei der Klausur in Benediktbeuern zu Recht rasch ad acta gelegt. Wie sollte das auch funktionieren, bei zeitgleichen Wahlkämpfen und einer Landesvorsitzenden, die Bundesinnenministerin ist? Es siegte die Vernunft. Schnell gemeinsam anpacken oder gemeinsam untergehen, sind die einzigen Optionen. Gut eineinhalb Jahre sind Zeit genug, wieder in Fahrt zu kommen. Doch das gelingt nur, wenn die FDP keinen Tag vertändelt. Umso unverständlicher, dass in Benediktbeuern nach dem Reihenschließen kein erster großer Paukenschlag kam: Das Zehn-Punkte-Programm für Bayerns Zukunft enthält nichts Neues. Es listet auf, was längst aus Regierungserklärungen bekannt ist oder vom Landesparteitag im vergangenen November in Landshut. Dabei hatte der Koalitionspartner CSU vorgemacht, wie es besser geht: Parteichef Horst Seehofer zauberte bei seiner Klausur in Kreuth eine Vision aus dem Hut - nachdem sich gegen seine Haushaltspolitik in der Fraktion ein mildes Lüftchen des Widerstands geregt hatte. Bayern wird bis 2030 als erstes Land schuldenfrei, gab er als Zielmarke vor. Der nächsten Generation statt rund 30 Milliarden Miesen solide Finanzen zu hinterlassen, ist ein Projekt, das auch die allseits umworbenen Jungwähler überzeugt. Besonders bitter für die FDP: Das Zeug zu dieser Vision hatten sie selbst in der Tasche: der liberale Schuldentilgungsplan für Bayern - wenn auch nicht smart ergänzt um die Jahreszahl 2030 - stammt vom Landesparteitag in Landshut, ist dort auf Seite 8 des Leitantrags 1 versteckt. Der Seehofer-Coup ärgerte die FDP-Finanzexperten. Doch statt nun in die Gänge zu kommen, wird auch der nächste Schachzug der CSU überlassen. Während Finanzminister Markus Söder bereits an den Details des Schuldentilgungsplans tüftelt - wohlwissend, dass die ersten Tranchen vor dem Wahljahr 2013 auf jeden Fall finanziell zu stemmen sein dürften - liegen die Hände der Liberalen still. Dabei könnten sie mit einem eigenen stramm durchgerechneten Konzept auf dem Feld ihrer Kernkompetenz punkten und vorrechnen, ob 2030 machbar ist, oder nur eine Luftnummer. Kompetenzwerte würden dann auch wieder der FDP zugeschrieben - und nicht nur der CSU. Sie wären das beruhigendste Kapital vor der entscheidenden Wahlschlacht 2013. Felder zur Profilierung gibt es genug: Das schnelle Internet für ganz Bayern zum Beispiel - oder der von den Liberalen stets geforderte sanfte Donauausbau ohne Staustufen. Sonst hat's am Ende wieder die CSU erfunden. Und die Frage stellt sich erneut und zu Recht: Für was braucht es die FDP?
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