Mittelbayerische Zeitung: Frauen in der Armutsfalle Die Arbeit von Frauen, die Kinder erziehen und Angehörige pflegen, muss stärker gewürdigt werden. Leitartikel von Maria Gruber
Regensburg (ots)
Monat für Monat erreichen uns von der Agentur für Arbeit gute Nachrichten: Die Zahl der Arbeitslosen nimmt - mit Ausnahme saisonbedingter Anstiege - immer mehr ab. Es sind so viele Menschen in Beschäftigung wie seit der Wende nicht mehr. Eine erfreuliche Entwicklung - mit einer Schattenseite: Denn immer mehr Menschen arbeiten für sehr wenig Lohn. Der Niedriglohnsektor hat in den vergangen 15 Jahren deutlich zugenommen und betrifft heute etwa 22 Prozent der Arbeitnehmer, besonders häufig auch Frauen. Jede dritte Beschäftigte erhält trotz Vollzeitjob in Deutschland weniger als 1802 Euro. Nicht nur das: Auch bei Teilzeit- oder Minijobs ist das weibliche Geschlecht sehr stark vertreten. Nur 21 Prozent der Frauen von 45 bis 50 Jahren, die sogenannte Babyboomer-Generation, arbeiten Vollzeit. Und 60 Prozent der Frauen zwischen 50 und 55 Jahren haben im Laufe ihres Berufslebens durchschnittlich 7,6 Jahre in Minijobs gearbeitet. Die Folgen sind gravierende Lücken in der Altersvorsorge, sprich: Armut im Alter. Der sogenannte Rentendialog zur Bekämpfung von Altersarmut der Bundesregierung hat im vergangenen Jahr mit dem Versuch begonnen, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, ist aber nicht in der Lage, ein umfassendes Konzept zu präsentieren. Wie in so vielen anderen Bereichen hat die Koalition nur Stückwerk oder halbherzige Lösungen zu bieten - siehe Familienpflegezeit, die keinen Rechtsanspruch begründet oder die Zuschussrente, von der nur die wenigsten Frauen profitieren dürften. Notwendig sind grundlegende Strukturreformen, die verhindern, dass Frauen überhaupt in die Niedriglohnfalle tappen. Die Voraussetzungen, die Frauen erlauben, Familie und Beruf wirklich zu vereinbaren, sind noch längst nicht erfüllt - trotz des Ausbaus der Kita-Plätze. Der Grund, warum Frauen so häufig in prekären Arbeitsverhältnissen aufzufinden sind, ist nicht etwa, dass sie schlecht ausgebildet wären oder kein Interesse an der Berufstätigkeit haben, weil sie etwa bei den Kindern zuhause bleiben möchten. Im Gegenteil: Frauen überholen Männer bei den schulischen Leistungen, besuchen mit höherer Wahrscheinlichkeit als Männer eine Universität und weisen auch im beruflichen Leben mindestens gleichwertige Qualifikationen auf. Außerdem wollen immer weniger Mütter auf die Berufstätigkeit verzichten. Trotzdem gelingt es ihnen nicht, auf dem Arbeitsmarkt in ähnlich erfolgreicher Weise zu bestehen wie ihre männlichen Kollegen oder am Ende des Arbeitslebens auf eine ähnlich hohe Rente zu kommen. Dass sich für die Familienarbeit - also bei der Frage, wer zugunsten der Kinder beruflich zurücksteckt oder sich um einen pflegebedürftigen Angehörigen kümmert - insbesondere Frauen zuständig fühlen, wird sich leider nur auf lange Sicht ändern lassen. Doch bis dahin sollte man die Arbeit, die Frauen hierbei leisten, auch ausreichend würdigen und verhindern, dass sie in die Armut abrutschen - und das, obwohl sie nicht nur für ihre Angehörigen, sondern für die ganze Gesellschaft einen gewichtigen Dienst leisten. Zum Beispiel, in dem man Kindererziehungs- oder Pflegezeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung wie normale Erwerbsarbeit betrachtet. Oder mit einem Mindestlohn, der prekäre in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse verwandelt und verhindert, dass vor allem ältere Frauen nach dem oft schwierigen Wiedereinstieg in das Berufsleben von einem Hungerlohn leben müssen. Dann nämlich könnten sich auch wieder mehr Frauen über die Nachrichten vom Arbeitsmarkt freuen.
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