Mittelbayerische Zeitung: Tanz mit den Gigolos
Regensburg (ots)
Von Norbert Mappes-Niedek
Volksabstimmungen wie jetzt die im Norden des Kosovo haben schon die jugoslawischen Kriege der Neunzigerjahre begleitet. Man holt sich Unterstützung, legt gegen drohende Kompromisse einen Brustpanzer an und geht dann vorwärts mit der Parole "Augen zu und durch". Angesichts solcher Erfahrungen ist es verständlich, dass nun alle beteuern, die komische Abstimmung unter gerade einmal 35 000 Leuten tief in der balkanischen Provinz sei "ohne Bedeutung". Ist sie leider doch. Der kleine Konfliktherd da unten hat noch immer Sprengkraft. Bisher hat die Europäische Union und besonders Deutschland immer auf Druck auf Belgrad gesetzt, um für das Kosovo Fortschritte zu erzielen und die Serben im Norden zu disziplinieren. Das funktioniert aber nur so lange, wie die pro-europäische Regierung dort den Druck auch weitergeben kann. Nach dem Referendum, bei dem wohl die berühmten 99 Prozent gegen den ausdrücklichen Rat der Schutzmacht Serbien mit Nein stimmen werden, funktioniert es erst einmal für eine Weile nicht mehr. Belgrad kann sich ein wenig entlastet fühlen. Es kann den Europäern mit mehr Kompromissbereitschaft in der Kosovo-Frage einen Gefallen tun und hoffen, dass ihm doch noch der Status eines Beitrittskandidaten verliehen wird. Das Problem des Nord-Kosovo ist damit aber noch nicht gelöst. Der Lösungsdruck, der bisher auf der Regierung in Belgrad lastete, wechselt nun auf die Schultern der Europäer. Die Serben in den vier nordkosovarischen Gemeinden haben vor allem Angst. Reale Albaner haben sie seit über einem Jahrzehnt keine mehr zu Gesicht gekriegt, außer als Meute, die versucht, die Brücke in Mitrovica zu stürmen. Sie reden viel darüber, was Albaner nach 1999 den Serben angetan haben, und sie wissen auch sehr genau, auch wenn sie darüber nicht reden, was vorher Serben den Albanern angetan haben. Die Serben im Süden des Kosovo leben in Enklaven, die sich kaum verteidigen lassen, und haben viel mehr Grund als die im Norden, sich bedroht zu fühlen. Eben deshalb sind sie im Süden viel kompromissbereiter. Die Angst der Serben im Norden ist vager, unbestimmter, anfälliger für Paranoia und Hysterie. Und damit auch gefährlicher. In den Scharmützeln der letzten Monate haben die internationalen Missionen und besonders die Deutschen die Serben im Norden des Kosovo immer als halb kriminell vorgeführt. Daran stimmt, dass hier heute noch fleißig geschmuggelt wird und viele schräge Figuren auch ein Interesse daran haben, dass das immer so bleibt. Die Propaganda darf aber nicht den Blick darauf verstellen, dass im Norden des Kosovo natürlich nicht 35 000 Gangster leben; vielmehr lassen sich 34 000 normale Menschen von höchstens tausend Verbrechern manipulieren. Das gelingt ihnen umso besser, je größer der Druck von außen ist. Im letzten Jahr ist die Zahl der Feinde draußen von einem auf drei gestiegen: Erst waren es nur die Albaner, dann waren es auch die Europäer, und jetzt ist es sogar Belgrad. Für eine Verhandlungslösung ist das keine glückliche Voraussetzung. Bisher hat auch niemand zu erkennen gegeben, dass er eine Lösung im Einvernehmen mit den Serben im Nordkosovo überhaupt anstrebt. Erst schickte Pristina seine Spezialpolizei, dann schickte die Nato Soldaten. Vermittler tauchten nur auf, wenn es gerade mal eine Barrikade abzubauen galt. Es war Deutschland, das mit seiner Druck-auf-Belgrad-Politik im letzten Sommer die erstarrten Verhältnisse im Kosovo zum Tanzen gebracht hat. Nun muss es zeigen, dass es auch führen kann und die erforderlichen Schritte beherrscht. Bisher war Belgrad der Partner, jetzt sind es die Gigolos von Mitrovica. Wenn sie die Führung übernehmen, wird leicht ein Totentanz daraus.
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