Mittelbayerische Zeitung: Die Koalition funktioniert nur noch aus Prinzip
Regensburg (ots)
Von Reinhard Zweigler
Derzeit gilt bei Schwarz-Gelb offenbar das Motto: Augen zu und durch. Der überraschend schnell gefundene Tarifabschluss im öffentlichen Dienst ist danach zustande gekommen. Und genau so sollen andere Projekte durchgezogen werden, etwa das von der CSU-Spitze mit Klauen und Zähnen verteidigte Betreuungsgeld. Mit Augen zu und durch wollen die widerstreitenden Koalitionäre auch andere Reizthemen erledigen und etwa die ungeliebte Praxisgebühr und den Solidaritätszuschlag nicht abschaffen oder die Pendlerpauschale nicht erhöhen. Nur ja nicht aus der Spur geraten und von einmal Beschlossenem abweichen, heißt es in Berlin. Diese Koalition funktioniert fast nur noch aus Prinzip. Nur keine hektischen Bewegungen, weil sonst das dünne Band, das Union und FDP noch zusammenhält, reißen könnte. Die flotte Einigung der Tarifpartner von Bund und Kommunen hat sogar Eingeweihte überrascht. In den Tagen und Wochen zuvor hatten sich die Verhandlungspartner noch heftige verbale Scharmützel geliefert. Bund und Länder hätten kein Geld für kräftige Erhöhungen, den Bürgern drohten Gebührenerhöhungen sowie den Beschäftigten im öffentlichen Dienst Privatisierungen und Entlassungen. Die Gewerkschaft Verdi probte wiederum vorsorglich Streiks, ließ Flughäfen lahmlegen und Müllfahrzeuge in den Depots. Das übliche Ritual eben. Dass man sich in einer nächtlichen Marathonsitzung in Potsdam dann doch zu einem satten Abschluss für die Beschäftigten von Bund und Kommunen durchringen konnte, hat wohl vor allem mit dem politischen Umfeld zu tun. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hatte offenbar Order von Kanzlerin Angela Merkel, vor den Wahlkämpfen Arbeitskampf abzuwenden. Überquellende Mülltonnen, Chaos im Verkehr wären wohl keine Empfehlung für Regierungspolitiker auf Tour durch Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Trotz des relativ hohen Abschlusses geht aber auch Verdi nicht als strahlender Sieger vom Platz. Einen besonderen Zuschlag für untere Einkommen gibt es leider nicht. Doch genau das hatte Verdi-Chef Frank Bsirske doch als Knackpunkt herausgestellt. Dem politischen Druck - unbedingt und koste es, was es wolle, eine Einigung zu erzielen - musste schließlich auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nachgeben. Der Bundeskassenwart muss nun - genauso wie die Kämmerer der Kommunen - tiefer in die Tasche greifen muss. Vor dem Hintergrund der geplanten Schuldenbremse und angesichts von unwägbaren Risiken infolge der Euro-Stabilisierung sind kräftige Tarifzuschläge zumindest fragwürdig. Politisch noch dramatischer ist die Situation beim Betreuungsgeld. Dass nun nicht nur die FDP Sturm läuft gegen die sogenannte Herdprämie, sondern gleich 23 CDU-Abgeordnete einen Brandbrief dagegen schrieben, ist ein ziemlich einmaliger Vorgang. Selbst in der CSU regt sich hier und da Widerstand gegen eine Prämie, die kleine Kinder von Kitas fernhalten könnte. Viele befürchten, dass das Geld, das für die selbstverantwortete Erziehung und Betreuung der Kinder innerhalb der Familie gedacht ist, auch zu anderen Zwecken genutzt werden könnte. Sollten die 23 "Abtrünnigen" Ernst machen, wäre die schwarz-gelbe Mehrheit dahin. Und die Regierung Merkel-Rösler am Ende.
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