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Mittelbayerische Zeitung: Der neue Mann im alten Geschirr

Regensburg (ots)

Von Reinhard Zweigler

Eines muss man Peter Altmaier, dem genussfreudigen politischen Strippenzieher und neuen Umweltminister, lassen: Wegducken ist nicht seine Sache. Und vor Aufgaben davon zu laufen, gehört auch nicht zur Art der neuen Wunderwaffe der Kanzlerin im Umweltressort. Der Saarländer verfügt vielmehr über die in der Politik seltene Gabe, mit Humor und Prinzipienfestigkeit Kompromisse schmieden zu können. Wo andere vielleicht poltern oder auf ihr Basta pochen, lädt Altmaier zum Kochen und zum Wein ein. Dass der Mann seit geraumer Zeit twittert, was die Tasten hergeben, passt ins Bild. Heute übernimmt Altmaier nach dem überraschenden Rauswurf von Norbert Röttgen dessen Ministeramt. Er war ihm zuvor schon auf den Posten des obersten Fraktions-Strippenziehers gefolgt. Allerdings ist Altmaier, der mit Röttgen befreundet ist, von ganz anderer Statur als "Muttis Klügster", der in Nordrhein-Westfalen ziemlich katastrophal gescheitert ist. Körperlich und politisch. Der begnadete Redner und Intellektuelle Röttgen stand immer im Verdacht, es auf Merkels Kanzlerschaft abgesehen zu haben. Was er zweifellos auch wollte. Peter Altmaier dagegen ist Merkel völlig loyal verbunden. Man könnte auch sagen, er ist Merkels letztes Aufgebot. Zuletzt hatte es bei der Energiewende kräftig gehakt. Die schönen Zukunftspläne von den erneuerbaren Energien, von einem Land ohne Kernkraft und mit nur noch wenig Strom aus Gas oder Kohle drohen im politischen und bürokratischen Kleinklein und im Zuständigkeitswirrwarr zu zerplatzen. Wenn einer diese Herkulesaufgabe der Energiewende wieder unter Dampf setzen kann, dann Altmaier. Freilich sind die Voraussetzungen dafür alles andere als rosig. Altmaier übernimmt das Instrumentarium seines Vorgängers. Neue Kompetenzen oder gar Durchgriffsrechte hat ihm die Kanzlerin nicht in die Hand gegeben. Altmaier ist sozusagen der neue Mann fürs alte Geschirr. Von seinem Erfolg hängt jedoch nicht nur ein gigantisches Zukunftsprojekt für das ganze Land ab, sondern wahrscheinlich auch Merkels Kanzlerschaft. Wenn überhaupt. Strompreise, Versorgungssicherheit, Furcht vor einem Blackout - all das sind höchst sensible Fragen, die Wähler bewegen. Kann Altmaier hier in seiner kurzen Amtszeit etwas zuwege bringen, kann er Vertrauen schaffen bei Verbrauchern und Industrie, ist das auch gut Merkel. Und gut für Altmaier ist, dass er sozusagen Merkels Prokura hat. Die Rückendeckung der Kanzlerin hatte Röttgen dagegen kaum. Dabei sind die Zuständigkeiten für die Wende in der Energieversorgung zerklüftet, aufgeteilt auf mehrere Ressorts, wo sie eifersüchtig verteidigt werden. Röttgen und Wirtschaftsminister Rösler etwa lieferten sich endlose Duelle, ihre Ministerialen blockierten sich, wo es nur ging. Heraus kam oft nur Stillstand oder Blockade. Die vergeigte Solarförderung war nur ein trauriges Beispiel dafür. Will Altmaier Erfolg haben bei der tief greifenden Umstellung unserer Energieversorgung, dann muss er über dem mühseligen Kleinklein der einzelnen Reformschritte das große Ziel nicht aus den Augen verlieren. Er muss, wenn man so will, ein Visionär der kleinen Schritte und der sinnvollen Kompromisse sein. Leicht wird das selbst für ein politisches Schwergewicht wie Altmaier nicht. Röttgen wurde grade wegen Erfolglosigkeit "endgelagert". Altmaier wird das nicht passieren.

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