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Mittelbayerische Zeitung: Null Punkte für Diktatoren Noch immer glauben Despoten, dass sie mit teuer bezahltem Glamour auch Ansehen kaufen können. Leitartikel von Ulrich Krökel

Regensburg (ots)

Ein Fest bleibt am Ende doch ein Fest. Die Schwedin Loreen sang sich beim Eurovision Song Contest in der glamourösen Crystal Hall von Baku in die Herzen der Schlagerfans. Russlands udmurtische Babuschkas sorgten auf Rang zwei für die heiteren Töne. Und sogar der Deutsche Roman Lob machte alles richtig und übertraf mit seinem achten Platz die Erwartungen deutlich - was freilich mehr über die geringen Hoffnungen in der Heimat aussagte als über das Talent des Sängers. Alles in allem war es eine tolle Samstagnachtparty. Dass nicht weit entfernt von der Kristallhalle Oppositionelle im Gefängnis sitzen und möglicherweise gefoltert werden, interessierte zu diesem Zeitpunkt niemanden mehr. Schön und gut: Anke Engelke ließ bei der deutschen Punktabgabe Kritik am halbdiktatorischen Regime in Baku anklingen. So kann man das machen, Kompliment! In Wirklichkeit aber waren die wenigen Hinweise westlicher Kommentatoren auf Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan in der ESC-Nacht nicht mehr als eine schnöde Pflichtübung. War also die ganze Aufregung im Vorfeld um einen möglichen ESC-Boykott für die Katz? Ja und nein. Echte Veränderungen in Aserbaidschan haben die Proteste nicht ausgelöst, und sie werden bei den Herrschenden vermutlich auch nicht zu später Einsicht führen. Im Gegenteil: Es gibt ernst zu nehmende Befürchtungen, dass die Staatsmacht in den kommenden Wochen besonders brutal gegen die Opposition zuschlagen könnte. Kenner der Szene sprechen von einem bevorstehenden Rachefeldzug des Alijew-Regimes gegen all jene Aktivisten, die vor dem Schlagerwettbewerb demonstriert haben. Und dennoch: Was vom ESC im Gedächtnis vieler Europäer haften bleiben wird, ist kaum Loreens schwedische "Euphoria". Eher schon wird der Name Aserbaidschan, mit dem zuvor nur wenige Deutsche überhaupt etwas verbunden haben, künftig für einen Folterstaat stehen, in dem Andersdenkende geknebelt und geknechtet werden. Es ist Ilham Alijew und seinen Schergen nicht gelungen, den Song Contest in einen PR-Erfolg für das eigene autoritäre Regime umzumünzen. Und das ist gut so. Denn noch immer glauben größenwahnsinnige Herrscher weltweit, dass sie mit teuer bezahltem Glamour auch Ansehen kaufen können - ob in Moskau, Minsk, Peking oder Bahrain. Das aber ist eine Fehlkalkulation, wie die Diskussionen um den ESC in Baku und die bevorstehende Fußball-Europameisterschaft zeigen. Die EM in der Ukraine wird dem autoritär regierenden Präsidenten Viktor Janukowitsch auch noch schwer im Magen liegen. Signale vom jüngsten EU-Gipfel deuten zwar darauf hin, dass es nun doch keinen breit angelegten politischen Boykott geben dürfte. Angeblich hat selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel dem polnischen Premier Donald Tusk, dessen Land Co-Gastgeber der EM ist, zugesagt, dass sie in die Ukraine reisen werde. Schweigen aber werden die Westeuropäer bei ihren Besuchen in Kiew oder Charkiw nicht. Schweigen werden auch die ukrainischen Fans nicht, die dafür bekannt sind, die eigenen Politiker in den Stadien auszupfeifen. Viktor Janukowitsch wollte die Opposition und insbesondere seine inhaftierte Widersacherin Julia Timoschenko still und heimlich ausschalten oder sogar dauerhaft vernichten. Die EM hat ihm einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Das heißt allerdings nicht, dass man künftig Großereignisse wie ESC und EM bewusst in Länder mit autoritärer Regierung vergeben sollte. Die Schäden sind enorm. In Baku wurden Menschen enteignet, um die Stadt für den Contest schick zu machen. Janukowitsch hat sein darbendes Land ausplündern lassen, um Stadien und Flughäfen zu bauen, die nach dem Finale am 1. Juli keiner mehr braucht. Das ist es nicht wert.

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