Mittelbayerische Zeitung: Unsozial und unausgegoren Nur ein kleiner Kreis von Eltern wird vom Betreuungsgeld profitieren - solche, die es nicht nötig haben. Von Maria Gruber
Regensburg (ots)
Das Betreuungsgeld kommt - davon ist die Bundesregierung überzeugt. Nur weil das Kabinett sich zu einem Beschluss - oder besser gesagt, einem Deal - durchgerungen hat, sind die Debatten über die zurecht umstrittene Familienleistung jedoch längst nicht beendet. Es hagelt weiter Kritik - permanent und von allen Seiten. Gestern wurden Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bekannt, die das Betreuungsgeld wegen seiner negativen Wirkung auf die Integration von Zuwanderern in ein negatives Licht stellen. So hält der OECD-Studie zufolge das Betreuungsgeld in Norwegen Migrantinnen vom Arbeitsmarkt und deren Kinder von Kitas fern. Und die Kritik des CDU-Wirtschaftsrates zeigt, dass auch in der Union die Skeptiker noch nicht überzeugt sind. Kein Wunder, denn die Angriffspunkte, die das schwarz-gelbe Betreuungsgeldmodell bietet, sind vielfältig. Dass die Wirtschaft ein Problem mit dem Betreuungsgeld hat, ist verständlich. Der Fachkräftemangel wird sich in den nächsten Jahren verstärken, jede (weibliche) Arbeitskraft wird gebraucht werden. Arbeitgeber, die das Betreuungsgeld ablehnen, stehen allerdings auch selbst in der Verantwortung und sind dazu aufgerufen, durch die Schaffung von familienfreundlichen Arbeitszeiten, Eltern-Kind-Büros oder Betriebskindergärten dafür zu sorgen, dass ihre Mitarbeiter Familie und Beruf vereinbaren können. Natürlich wäre es verfehlt, dem Arbeitsmarkt und den Bedürfnissen der Wirtschaft die persönliche Familienplanung unterzuordnen. Doch auch die Frauen sollten ein Interesse daran haben, trotz Mutterschaft erwerbstätig zu sein. Denn je länger sie aus dem Beruf aussteigen, umso schwerer fällt ihnen der Wiedereinstieg in Form einer Vollzeitbeschäftigung, die sie später vor Altersarmut bewahren kann. Das Argument von Befürwortern, durch das Betreuungsgeld die Wahlfreiheit der Familien zu erhöhen, ist ein Scheinargument. Es sind vor allem die Frauen, die Familie und Beruf vereinbaren möchten, aber momentan vergeblich nach Wahlfreiheit suchen. So können viele Mütter ihrem berechtigten Interesse nach Berufstätigkeit nicht nachgehen, weil nach wie vor massenhaft Betreuungsplätze für ihre ein- bis dreijährigen Kinder fehlen - das Bundesfamilienministerium geht von etwa 160 000 fehlenden Kita-Plätzen aus. In Wirklichkeit dürften es noch viel mehr sein. Und auch bei vielen Frauen, die ihre Kinder zu Hause erziehen möchten, verpufft die versprochene Wahlfreiheit des Betreuungsgelds. Wenn die Mütter aufgrund finanzieller Engpässe einer Beschäftigung nachgehen müssen, werden auch 100 oder 150 Euro nichts an ihrer Situation ändern. Dafür ist der Betrag zu niedrig. Nicht profitieren werden auch Hartz-IV-Empfänger, da das Betreuungsgeld auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird. Und so kommt der Zuschuss, für den jährlich 1,2 Milliarden Euro im Haushalt veranschlagt sind, nur einem sehr ausgewähltem Kreis von Eltern zugute - nämlich solchen, die keine Unterstützung nötig haben. Das ist unsozial. Nichtsdestotrotz wird das Betreuungsgeld kommen - schon allein deswegen, weil sich Kanzlerin Merkel nicht die Blöße geben wird, ein Vorhaben, das sie zur Chefsache erklärt hat, am Ende fallenzulassen. Das aber ändert nichts an der Tatsache, dass die Leistung in ihrer derzeitigen Form unausgegoren ist - und somit symptomatisch für die Familien- und Frauenpolitik der schwarz-gelben Bundesregierung. Nicht erst seit dem Deal "Betreuungsgeld gegen Zuschuss zur privaten Pflegeversicherung" ist klar: Die Maxime von Schwarz-Gelb ist nicht, vernünftige Politik zu machen, sondern, ihr Klientel zufriedenzustellen.
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