Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur 3. Startbahn: "Münchner lotsen Airport ins Abseits"
Regensburg (ots)
München hat falsch entschieden. Der Flughafen darf nicht ausgebaut werden. Die dritte Startbahn ist beim Bürgerentscheid im Handstreich beerdigt worden. OB Christian Ude ist nun entgegen seiner Überzeugung gezwungen, als Miteigentümer in der Flughafengesellschaft sein Veto einlegen - der trickreiche Kunstkniff seines Grünen Koalitionspartners im Münchner Stadtrat war erfolgreich. Das Nein zur Startbahn ist unumstößlich. Ude hat von Anfang an unmissverständlich erklärt, dass er den Bürgerwillen respektieren und keine Schlupflöcher suchen wird. Weder verkauft er den 23-Prozent-Anteil Münchens am Flughafen, noch setzt er auf die nur einjährige Bindungskraft des Bürgerentscheids. Und es ist unwahrscheinlich, dass der nächste Stadtrat, der 2014 gewählt wird, das heikle Thema erneut anpackt, sofern sich die Faktenlage nicht grundlegend ändert. Die anstehenden Klagen der Flughafenanwohner vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof haben sich durch den Bürgerentscheid unterm Strich also miterledigt. Hinter dem monatelangen, energischen Kampf der Grünen gegen das Großprojekt verbarg sich ein radikal anderer Politikentwurf zum wirtschaftlichen Wachstum. Nicht Quantität ist entscheidend, Lebensqualität und der Schutz der Umwelt haben oberste Priorität. Weil es um wesentliche Grundsätze der Ökopartei geht, war der Versuch legitim, die Mehrheitsmeinung im Stadtrat durch ein Bürgervotum auszuhebeln. Auch wenn das Ergebnis bitter ist: Das Großprojekt ist für ganz Bayern bedeutend. Das Münchner Nein spiegelt nicht die Stimmung im Freistaat wider. Dort gibt es eine Mehrheit für den Ausbau. Wer nicht mit der Zeit geht, fällt zurück. Das ist die Konsequenz des Votums vom Sonntag. Es torpediert das Bemühen Bayerns, immer vorne mitzuspielen - in der Vergangenheit stets ein gutes Rezept für Fortschritt und Wirtschaftskraft. Der Erfolg dieser Strategie lässt sich in Zahlen bemessen. Auch andere Bundesländer profitieren davon, wie sich an den milliardenschweren Zahlungen via Länderfinanzausgleich ablesen lässt. Der Flughafenausbau hätte dem Freistaat die Chance auf 10 000 neue Arbeitsplätze und sprudelnde Steuereinnahmen gebracht. Dies wird nun aus einer bequemen Luxusposition im Jahr 2012 aufs Spiel gesetzt. Ein Airport ohne Wachstumspotenzial, der schon jetzt zu Hauptverkehrszeiten in Engpässe gerät, verliert an internationaler Bedeutung. Große Airlines werden sich anderweitig orientieren. Zur Wahrheit gehört jedoch gleichermaßen: Auch der Ausbau des Flughafens hätte seinen Preis gehabt. Die Gewinner des Münchner Bürgerentscheids sind die Flughafenanwohner vor den Toren der Stadt. Die dritte Startbahn hätte für sie statt bisher 90, stündlich bis zu 120 Starts und Landungen bedeutet. In Attaching, einer über viele Jahrhunderte gewachsenen Gemeinde, war der Widerstand verständlicherweise am größten. Viele hätten fortziehen müssen und ihre Heimat verloren. Soziale Strukturen wären zerbrochen. Die Folgen des Neins zur dritten Startbahn sind allerdings schwerwiegender. Sie werden nicht heute oder morgen, sondern erst mittelfristig zu spüren sein - dann aber sehr konkret. Der Airport Franz Josef Strauß verliert die Chance, seine Stellung als Nummer 2 in Deutschland und Nummer 6 in Europa zu behaupten und neue Wachstumsimpulse zu setzen. Bayern zahlt einen schmerzhaften Preis, weil der Status quo zum Limit deklariert worden ist. Wer am Sonntag das Großprojekt gestoppt hat, trägt dafür die Verantwortung. Autorin: Christine Schröpf
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